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Unglaublich, dass man jetzt in die finstere Zeit der „Spiegel-Affäre“ in den 1960-er Jahren zurück fällt und wieder den Monster-Paragraphen vom Landesverrat auspackt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der Schuß nach hinten los ging und man sich damit keinen Gefallen getan hat. Sogar im Ausland hat dieses unfassbare Vorgehen hohe Wellen geschlagen. Pressefreiheit samt Demokratie könnte man adieu sagen, wenn das durchgegangen wäre.
Diesmal ist es nicht der ‚Spiegel‘, der sich mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, er habe Staatsgeheimnisse veröffentlich. Diesmal sind es die Betreiber des Blogs Netzpolitik.org. Doch der ‚Spiegel‘ springt dem Blog bei: Ressortleiter Netzwelt Christian Stöcker fordert bei Spiegel Online ‚Solidarität‘ für die Kollegen: ‚Ohne Whistleblower wie Edward Snowden sind westliche Geheimdienste derzeit offenbar kaum im Zaum zu halten. Und dass Medien aus geheimen Dokumenten zitieren, ist gute journalistische Tradition, auch und gerade beim Spiegel.
Im Zusammenhang mit dem NSA-Untersuchungsausschuss etwa berichten diverse deutsche Medien auch auf Basis von vertraulichen Dokumenten aus Behörden. Es geht dabei nicht um Verrat, sondern um die Information der demokratischen Öffentlichkeit. Dazu ist eine freie Presse da, deshalb steht die Pressefreiheit im Grundgesetz ziemlich weit vorn. Nun ermittelt Harald Range, der gegen befreundete Geheimdienste nicht vorgehen will, gegen deutsche Journalisten. Die Betroffenen haben völlig Recht, wenn sie von Einschüchterungsversuchen und einem Angriff auf die Pressefreiheit sprechen. Sie haben Solidarität verdient.‘
Leiter Investigativ/Daten von Zeit Online Karsten Polke-Majewski betont: ‚Geklärt werden muss also, was die deutschen Dienste leisten sollen, was ihnen dafür erlaubt sein soll, und vor allem: wie sie kontrolliert werden.‘ Der Presse käme eine wichtige Kontrollfunktion zu: ‚Netzpolitik.org betreibt das mit großer Beharrlichkeit. Das Blog tickert beispielsweise aus den Sitzungen des NSA-Untersuchungsausschusses live. Hier kann jeder lesen, was Geheimdienst-Zeugen aussagen. Das mag manchem auf die Nerven gehen. Aber es ist kein Landesverrat. Es dient dem Schutz der freiheitlichen Demokratie.‘
Politiker melden sich ebenfalls zu Wort kritisieren die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org scharf:
Die Anzeige schlägt auch international Wellen, der US-amerikanische Journalist Jeff Jarvis zum Beispiel twittert, Deutschland solle sich schämen.
‚Noch immer laufen BND-Schlapphüte frei herum‘
Von einem ‚Neulandsverrat‘ spricht der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Markus Kompa bei Heise.de und betont: ‚Noch immer laufen BND-Schlapphüte und Kanzleramtschefs frei herum, die einen Großteil der innerdeutschen Kommunikation fröhlich in die USA ausleiten.
In dem Land, in dem theoretisch die Vorbereitung eines Angriffskrieges unter Strafe steht, dürfen von Ramstein aus Menschen und ihre unbeteiligten Begleiter auf erstaunlich vager Verdachtslage hinterrücks exekutiert werden.
Doch wenn in der Bundesrepublik Neuland eine netzpolitisch interessierte Website zugespielte Geheimdokumente leakt, ja dann werden natürlich die Instrumente des Strafrechts ausgepackt. Bei einem solchen Selbstverständnis, wie es aktuell der Geheimdienst beweist, bekommt man einen Vorgeschmack davon, was demnächst mit den Daten aus der Vorratsdatenspeicherung von Maaßen passieren könnte.
Als ‚ein Wort wie aus der Gruft‘ beschreibt Daniel Kretschmer, Leiter von Taz.de, den Begriff Landesverrat: ‚Der Fall ist in Wirklichkeit viel dramatischer, denn während deutsche Behörden die NSA und rechtsradikale Terroristen gewähren lassen, Journalisten aber verfolgen, verraten sie die Ideale einer freien und demokratischen Gesellschaft. Und diese Ideale, von denen die Freiheit der Presse nur eines ist, kennen keine Ländergrenzen und bewegen sich damit jenseits von so anachronistischen Kategorien wie dem Landesverrat.
Für Ex-Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Büchner ist der Rücktritt von Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und Generalbundesanwalt Harald Range der einzig mögliche Weg aus der Geschichte.
Und Torsten Beeck erinnert mit einem Spiegel-Cover von 1962 an die damalige Strafverfolgung des Magazins wegen Landesverrats.
Ein Wort wie aus der Gruft
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Gruß Hubert