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Rebloggt von Tierfreund und Religionskritiker Wolfgang – wolodja51.wordpress.com
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Hass-Tiraden gegen Andersdenkende im Neuen Testament
Aktueller wird das Problem der Abgrenzung von der nicht/oder andersgläubigen Umgebung in den sog. Apostelbriefen. Gleich im ersten Kapitel des Römerbriefes findet sich eine Haßtirade gegen die Nichtgläubigen, «Gottlosen», Anhänger fremder Kulte (Röm. 1; 18, 21, 23, 25). Diese werden nicht nur in einem naiven Egozentrismus als unentschuldbar bezeichnet, indem die eindeutige Erkennbarkeit der eigenen «Wahrheit» vorausgesetzt wird, sondern es wird ihnen darüber hinaus auch sehr undifferenziert-pauschal eine Überfülle an negativen Eigenschaften zugeschrieben, gipfelnd in Aussagen wie «Sie sind voll Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier und Bosheit, voll Neid, Mord, Streit, List und Tücke; sie verleumden und treiben üble Nachrede, sie hassen Gott, sind überheblich, hochmütig und prahlerisch, erfinderisch im Bösen und ungehorsam gegen die Eltern, sie sind unverständig und haltlos, ohne Liebe und Erbarmen. Sie erkennen, daß Gottes Rechtsordnung bestimmt: Wer so handelt, verdient den Tod» (Röm. 1; 29-32).
Wir haben hier eines der zahlreichen Beispiele undifferenzierter Schwarzweißmalerei und Verteufelung gegenüber Außengruppen, wie es weniger entwickelte, unreife psychische Strukturen generell kennzeichnet und leider auch heute noch verbreitet, kollektiv und privat, vor allem in Zuständen hoher Emotionalität, anzutreffen ist. Die Bekämpfung dieser vorurteilshaften Verteufelung und undifferenzierten Schwarzweißmalerei von Fremdgruppen ist – darüber dürfte es keinen Zweifel geben – eine der wichtigsten Aufgaben heutiger Ethik, Humanität und nicht zuletzt angewandter Psychologie: Kann ein Buch, das so durchdrungen ist von dieser Denkweise wie die Bibel – wir werden auch noch an anderen Stellen zu zeigen haben, wie sehr das zutrifft -, weiterhin als göttlich autorisierte Quelle ethischer Normen angesehen werden?
Die angeführte Stelle, obwohl in ihrer exzessiven Intensität schon ausreichend, stellt keineswegs die einzige derartige Stelle in den Paulusbriefen dar, in denen sich die negativ lieblose Zeichnung der Anders- oder «Un»gläubigen, verbunden mit einem exzessiven Bedürfnis nach deren Bestrafung und Vergeltung, manifestiert.
Im zweiten Thessalonikerbrief heißt es wieder gleich zu Beginn: «Denn es entspricht der Gerechtigkeit Gottes, denen mit Bedrängnis zu vergelten, die euch bedrängen, euch aber, den Bedrängten, zusammen mit uns Ruhe zu schenken, wenn Jesus, der Herr, sich vom Himmel her offenbart mit seinen mächtigen Engeln in loderndem Feuer. Dann übt er Vergeltung an denen, die Gott nicht kennen und dem Evangelium Jesu, unseres Herrn, nicht gehorchen, mit ewigem Verderben werden sie bestraft» (2 Thess. 1; 7-9).
Auch heißt es: «. . . denn alle müssen gerichtet werden, die nicht der Wahrheit geglaubt, sondern die Ungerechtigkeit geliebt haben» (2Thess. 2; 12). Wie sehr – und mit welchen verheerenden historischen Folgen! – sich die diskriminierende Ablehnung des Apostels Paulus gegen die nicht christgläubigen Juden richtete, zeigen Stellen wie die folgende: «Denn, Brüder, ihr seid den Gemeinden Gottes in Judäa gleich geworden, die sich zu Christus Jesus bekennen. Ihr habt von euren Mitbürgern das gleiche erlitten wie jene von den Juden. Diese haben sogar Jesus, den Herrn, und die Propheten getötet; auch uns haben sie verfolgt. Sie mißfallen Gott und sind Feinde aller Menschen; sie hindern uns daran, den Heiden das Evangelium zu verkünden und ihnen so das Heil zu bringen. Dadurch machen sie unablässig das Maß ihrer Sünden voll. Aber der ganze Zorn ist schon über sie gekommen» (1 Thess. 2; 14- 16).
Teils den «Unreinen und Ungläubigen» allgemein, teils spezifisch denen, «die aus dem Judentum kommen», gilt die folgende (liebevolle) Beschreibung: «Denn es gibt viele Ungehorsame, Schwätzer und Schwindler, besonders unter denen, die aus dem Judentum kommen. Diese Menschen muß man zum Schweigen bringen, denn aus übler Gewinnsucht zerstören sie ganze Familien mit ihren falschen Lehren . . . Darum weise sie streng zurecht, damit ihr Glaube wieder gesund wird und sie sich nicht mehr an jüdische Fabeleien halten und an Gebote von Menschen, die sich von der Wahrheit abwenden. Für die Reinen ist alles rein; für die Unreinen und Ungläubigen aber ist nichts rein, sogar ihr Denken und ihr Gewissen sind unrein. Sie beteuern, Gott zu kennen, durch ihr Tun aber verleugnen sie ihn; es sind abscheuliche und unbelehrbare Menschen, die zu nichts Gutem taugen» (Tit. 1; 10-16).
Auch in den nichtpaulinischen Apostelbriefen (eine bekanntlich irreführende Urheberbezeichnung) findet sich dieselbe intolerant-haßerfüllte Einstellung gegen «Andersgläubige» oder «Ungläubige». So etwa richtet sich das ganze zweite Kapitel des zweiten Petrusbriefes gegen falsche Lehrer und falsche Propheten, also «Ketzer» oder eben Andersgläubige und somit wohl auch Anderslehrende: Ihnen werden im ganzen zweiten Kapitel neben ihren «Irrlehren» auch schwere moralische Mängel zugeschrieben – ein alter und beliebter Mechanismus der Verteufelung von Outgroups, Andersdenkenden – und die schwersten Strafen angedroht. Dieser von Gott, der doch die unendliche Liebe sein soll, inspirierte Text, liest sich dann so:
«Diese frechen und anmaßenden Menschen schrecken nicht davor zurück, die überirdischen Mächte zu lästern . . . Diese Menschen aber sind wie unvernünftige Tiere, die von Natur aus dazu geboren sind, gefangen zu werden und umzukommen. Sie lästern über Dinge, die sie nicht verstehen; doch sie werden umkommen, wie die Tiere umkommen, und als Lohn für ihr Unrecht werden sie Unrecht erleiden. Sie halten es für ein Vergnügen, bei Tag ein üppiges Leben zu führen; ein schmutziger Schandfleck sind sie, wenn sie in ihrer trügerischen Genußsucht mit euch prassen und schwelgen. Sie haben nur Augen für die Ehebrecherin und sind unersättlich in der Sünde. Sie locken haltlose Menschen an, deren Sinn nicht gefestigt ist; ihr Herz ist in der Habgier geübt, sie sind Kinder des Fluches . . .» usw., usw. (2 Petr. 2; 10- 14).
Noch ein anderes Beispiel aus den nichtpaulinischen Apostelbriefen: «Diese jedoch lästern über alles, was sie nicht kennen; was sie aber wie die unvernünftigen Tiere von Natur aus verstehen, daran gehen sie zugrunde. Weh ihnen! Sie sind den Weg Kains gegangen, aus Habgier sind sie dem Weg Bileams verfallen . . . Wilde Meereswogen sind sie, die ihre eigene Schande ans Land spülen; Sterne, die keine feste Bahn haben; ihnen ist auf ewig die dunkelste Finsternis bestimmt . . .» usw., usw. (Jud. 10; 11, 13).
Daß die Weltfeindlichkeit, wie sie etwa, aber nicht nur dort, im ersten Johannesbrief zum Ausdruck kommt: «Wir wissen: wir sind aus Gott, aber die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen» (1 Joh. 5; 19), ebenfalls psychologisch zu dieser Grundhaltung der Intoleranz gehört und sie fördert, liegt auf der Hand, ebenso wie die im selben Brief propagierte Dichotomisierung der Menschen in Kinder Gottes und Kinder des Teufels (1 Joh. 3; 8-10).
Neben diesen exzessiven Vorurteils- und Haßausbrüchen treten mildere Formen der Diskriminierung und Verfemung fast schon zurück: «Wenn jemand zu euch kommt und nicht diese Lehre mitbringt, dann nehmt ihn nicht in euer Haus auf, sondern verweigert ihm den Gruß. Denn wer ihm den Gruß bietet, macht sich mitschuldig an seinen bösen Taten» (2 Joh. 10; 11).
Auch in der Offenbarung des Johannes findet sich dieselbe Einstellung zu Anders- oder Nichtgläubigen. Der Autor nimmt hier gleich zu Beginn Christus selbst als Autorität im innerchristlichen Glaubenskampf in Anspruch: «Ich weiß, du kannst die Bösen nicht ertragen, du hast die auf die Probe gestellt, die sich Apostel nennen und es nicht sind, und hast sie als Lügner erkannt. Doch für dich spricht: du verabscheust das Treiben der Nikolaiten, das auch ich verabscheue» (Offb. 2; 2,6; Entsprechendes gilt für Offb. 2; 20-23).
«Solche, die sich als Juden ausgeben», werden vom Christus der Geheimen Offenbarung als «Synagoge des Satans» (Offb. 2; 9, 3, 9) bezeichnet.
Wir belassen es an dieser Stelle bei diesen beiden exemplarischen Belegen, da im nächsten Abschnitt, in dem es um strafende Gewalttätigkeit gegen normabweichendes Verhalten gehen wird, noch sehr eingehend gerade auf die Offenbarung des Johannes eingegangen werden soll.
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Denn sie wissen nicht, was sie glauben (Teil 11)