Archiv für die Kategorie ‘Christentum

Denn sie wissen nicht, was sie glauben (Teil 18)   Leave a comment

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Rebloggt von Tierfreund und Religionskritiker Wolfgang – wolodja51.wordpress.com

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Wie psychologisch wahrscheinlich und stimmig bei einem (göttlich inspirierten!) Menschen, der zu solchen Haßgefühlen fähig ist, die noch nicht einmal vor den verwaisten Kindern seines Feindes haltmachen, oder wie heuchlerisch-verlogen die in kaum überbietbarer Selbstgerechtigkeit (bei exzessivsten Vernichtungswünschen!) vorgestellte Selbstbeschreibung sein dürfte («Sie befeinden mich, während ich für sie bete, sie vergelten mir Gutes mit Bösem, mit Haß meine Liebe») , dies mag der Leser selbst entscheiden.

In unmittelbarer Nachbarschaft zu dem berühmten, von den Kirchen immer auf Christus bezogenen Vers 110,4 «Du bist Priester auf ewig» folgt wieder die Beschreibung des hart strafenden Gottes:

«Er hält Gericht unter den Völkern, er häuft die Toten, die Häupter zerschmettert er weithin auf Erden » (Ps. 110; 6).

Nicht genug, der Psalmist selbst gibt Gott entsprechende Ratschläge, nicht ohne wieder in egozentrisch-selbstgerechter Weise sich selbst einseitig als Unschuldslamm anzupreisen:

«Was soll er dir tun, was alles dir antun, du falsche Zunge? Scharfe Pfeile von Kriegerhand und glühende Ginsterkohle dazu» (Ps. 120; 3,4), «Ich verhalte mich friedlich; doch ich brauche nur zu reden, dann suchen sie Hader und Streit» (Ps. 120; 7). «Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! … Sie reden über dich voll Tücke und mißbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit glühendem Haß . . .» (Ps. 139; 19-22).

«Rette mich Herr, vor bösen Menschen . . ., denn sie sinnen in ihrem Herzen auf Böses, jeden Tag schüren sie Streit. Wie die Schlangen haben sie scharfe Zungen und hinter den Lippen Gift wie die Nattern … Er lasse glühende Kohlen auf sie regnen, er stürze sie hinab in den Abgrund, so daß sie nicht wieder aufstehen . . . » (Ps. 140; 2-4, 11).

Dieses Beten um Vernichtung der Feinde hält sich bis zu den letzten Psalmen durch:

«Vertilge in deiner Huld meine Feinde, laß all‘ meine Gegner untergehen!» (Ps. 143; 12), ebenso wie die Zeichnung eines Gottes, der diese frommen Gebete nicht unerhört läßt: «Doch alle Frevler vernichtet er» (Ps. 145; 20).

So ist es nur stimmig, wenn der gesamte Psalter vor dem großen Halleluja, dem Lob Gottes «für seine großen Taten» (Ps. 150), im Psalm 149, der häufig, aber auch wieder selektiv, im ersten Vers «Singet dem Herrn ein neues Lied» (besonders bei kirchenmusikalischen Anlässen sehr beliebt) zitiert wird, mit einem wieder sehr gewalttätigen Bild schließt. Was hat denn dieses «neue Lied» zum Inhalt?

«In festlichem Glanz sollen die Frommen frohlocken, auf ihren Lagern jauchzen: Loblieder auf Gott in ihrem Mund, ein zweischneidiges Schwert in der Hand, um die Vergeltung zu vollziehen an den Völkern, an den Nationen das Strafgericht, um ihre Könige mit Fesseln zu binden, ihre Fürsten mit eisernen Ketten, um Gericht über sie zu halten, so wie geschrieben steht. Herrlich ist das für all seine Frommen. Halleluja!» (Ps. 149; 5-9).

Man mag den Psalter aufgrund seines hohen Alters oder seiner ästhetischen Qualitäten so wie Homers Odyssee, die Edda oder das Nibelungenlied einschätzen wie man will; aber der Psalter, ein von Gott inspirierter Text, ein «Gebetbuch von hohem Rang . . . auch für Christus und die junge Kirche», verwendet von der heutigen Kirche «in der Nachfolge des Herrn . . . vor allen anderen Gebetstexten für den Gottesdienst» ?

Liest man die Psalmen unbefangen und läßt die in ihnen in weiten Teilen zum Ausdruck kommende Gesinnung unkontrolliert primitiven, rachsüchtigen Hasses und egozentrischer Selbstgerechtigkeit unverstellt von theologischem Um- und Wegdeutungsversuchen auf sich wirken, macht man sich dann die allgemeine Akzeptanz, ja fast «weihevolle» Verehrung gerade dieses Teiles der Bibel bewußt, so wird auch gerade hier wieder besonders erschütternd deutlich, welche unglaublichen Wirkungen, welche Verformungen und Verbiegungen (früh)kindliche Indoktrination, verstärkt durch psychologisch geschickt induzierte Ängste, auf menschliches Denken ausüben kann, wieweit Inhalte und Texte, die in anderem Kontext entrüstet zurückgewiesen würden, nicht nur akzeptiert werden, sondern darüber hinaus als «Gotteswort» oder zumindest als erstrangige Weltliteratur (es gibt auch säkularisierte indoktrinierte Erziehungsinhalte!) größter Verehrung teilhaftig werden.

Was muß darüber hinaus in einem Menschen vorgehen, wie muß ein Mensch geformt werden, der mit der oben angeführten Aufforderung Ernst macht und den Psalter als Gebetbuch verwendet? Wird hier nicht spätestens der verräterische Ausdruck – häufig nur oberflächlich von unechter «Nächstenliebe» verdeckt – von Feindseligkeit und Strafbedürfnis so vieler biblischer Fundamentalisten- und «Orthodoxer» verständlich?

Sollte nicht allmählich auch dem letzten klarwerden, daß die wirklich gewichtigen Einwände gegen die Bibel nicht so sehr naturwissenschaftlicher, sondern ethisch-moralischer und anthropologischer Art sind? Daß Gott die Welt nicht in sieben Tagen erschaffen hat, oder ob die Sonne stillstand oder nicht, stellen kaum die heutigen Probleme mit der Bibel dar – hier wird häufig noch gegen Ersatzargumente, «Pappkameraden», gekämpft -, sondern daß das ethisch-moralische Niveau des biblischen Gottes, der ja die Verkörperung des höchsten Gutes sein sollte, in vielen seiner Aussagen sich als so archaisch-inhuman erweist, daß es jedem heute lebenden Menschen nicht schwerfallen dürfte, eine Menge ihm bekannter Menschen zu benennen, deren,bei allen klar gesehenen Schwächen und Mängeln, ethisch-moralisches Niveau das des biblischen Gottes bei weitem übersteigen dürfte: das ist doch der wesentliche Einwand,der sich ja bekanntlich nicht nur aus der Bibel speist, die hier die partiell grausame, inhumane Realität zu einem großen Teil richtig spiegelt, wenn auch inhuman-archaisch interpretiert (Leiden und Übel als Strafen Gottes usw.), sondern genauso aus dem Faktum der unendlichen realen Leiden der Kreatur angesichts der Behauptung, es existiere ein zugleich allmächtiger, allwissender und die unendliche Liebe selbst verkörpernder, gütiger Gott: Das alte Problem der Theodizee, von den Kirchen oder sonstigen theistischen Apologeten bis heute eher verdrängt als gelöst.

Denn nach wie vor besteht der alte Einwand in seiner ganzen Härte und ist nicht zurückgewiesen: Entweder ist Gott nicht allmächtig oder nicht die unendliche Liebe und Güte; denn wer möchte im Ernst ein Wesen als ethisch höchste Instanz akzeptieren, das all das Leiden, das in der Vergangenheit und heute noch in der menschlichen (wie auch außermenschlichen) Kreatur in so unvorstellbar großem Maße geschieht, verhindern könnte und nicht verhindert oder gar selbst hervorruft («Ohne dessen Wille nichts geschieht»)?

Eine die biblische Weltsicht so weitgehend verdüsternde Vorstellung, das Leiden der Kreatur als Strafe für Sünden zu interpretieren, vor allem auch nach einer so unendlich wertvollen Sühne, wie sie der Tod Christi nach Meinung aller christlichen Konfessionen darstellt, impliziert ebenfalls ein so inhuman-zurückgebliebenes Gottesbild, daß man sich darüber jedes weitere Wort ersparen kann.

Fortsetzung folgt …….

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Denn sie wissen nicht, was sie glauben (Teil 18)

In Memory of Karlheinz Deschner (Teil4)   Leave a comment

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Rebloggt von Tierfreund und Religionskritiker Wolfgang – wolodja51.wordpress.com

Die leidsichtigen Augen des Karlheinz Deschner

 


Denken wir an seinem Geburtstag am 23. Mai 1924 an Karlheinz Deschner, so haben wir zunächst seine fulminante Kriminalgeschichte des Christentums vor Augen. In diesem monumentalen Werk demonstriert der Autor seinen ungläubig staunenden Lesern eine vom verkirchlichten Christentum zu verantwortende Leidensgeschichte. Weitaus weniger bekannt ist, dass Deschner als Kirchenkritiker nicht nur auf Seiten unterdrückter Menschen steht, sondern auch an der Seite der Tiere.

Die von Menschen bis auf den heutigen Tag mitleidslos unterhaltene Qualgeschichte der Tiere gilt ihm sogar als das „schwärzeste Verbrechen“. Worin er sich mit Gandhi einig weiß. Deschner kritisiert am Alten Testament, was er eine „furiose Fressanweisung“ nennt: „Alles, was sich regt und lebt, sei eure Speise…“. In seiner Kriminalgeschichte des Christentums wendet Deschner sich gegen den Kirchenvater Augustinus, wo dieser den Vegetarismus „eine gottlose Ketzermeinung“ nennt. In seiner kleinen Schrift „Für einen Bissen Fleisch“ führt Deschner aus: „Da die Krone der Schöpfung der Mensch, die Krone des Menschen der Pfaffe ist, lässt sich von ihm für das Tier am wenigsten erhoffen.“

Noch weniger bekannt ist, und davon soll hier – ausgerechnet zu seinem Geburtstag – die Rede sein, dass wir es bei Deschner mit einem humanistischen Antinatalisten zu tun haben. Als Leidsichtiger weiß Deschner, dass Schmerz und Verzweiflung jedes einzelnen Lebewesens stets ernst zu nehmen ist und nicht dadurch schöngeredet werden darf, dass man auf das Glück anderer Menschen oder Tiere verweist, denen es besser geht oder gehen wird.

Deschner geht davon aus, dass schweres Leid erstens prinzipiell unabschaffbar ist und dass es zweitens unzumutbar ist. Diese Prämissen sind es, die ihn zur moraltheoretischen Position des Antinatalismus führen: Handle nach Möglichkeit so, dass keine neuen Menschen zu existieren beginnen, da sie unweigerlich leiden müssten. Auch mit seinem Antinatalismus steht Deschner der institutionalisierten Kirche diametral gegenüber, die ja mit dem Vermehrungsgebot des Alten Testaments eine ausdrücklich pronatalistische – die menschliche Vermehrung begrüßende – Haltung einnimmt. Ganz zu schweigen davon, dass die mittelalterliche Kirche die antinatalistischen Katharer in einem Ketzer-Kreuzzug auszurotten suchte. Von ihnen handelt Deschner im 7. Band seiner Kriminalgeschichte.

Seinen humanistischen Antinatalismus legt Deschner in dem kleinen Text „Frommer Wunsch. Für ein friedliches Ende der Menschheit“ in aller wünschenswerten Klarheit programmatisch dar. Unter der Überschrift „Frommer Wunsch“ präsentiert Deschner einen Wunsch, den man von einem dreifachen Vater vielleicht nicht so ohne Weiteres erwartet hätte und der manchen Lesern auf den ersten Blick nicht unbedingt von einer humanistischen Gesinnung zeugen mag:

„Zuerst wünsche ich, dass etwas ausbleibe. Sie meinen: der Krieg? Doch gehört der Krieg nicht zur Menschheit? Ist der Mensch nicht immer auch Unmensch? … Nein, nicht das Ausbleiben des Endes wünsche ich, sondern, dies unterliegt buchstäblich unsrem Einfluss: das friedliche Ende der Menschheit. Möge nun keiner mehr – mein erster Wunsch – ein Menschenkind zeugen. Das schmerzt nicht die Ungeborenen; es erspart ihnen viel. Und die Geborenen gewöhnen sich an alles – sogar, hundert Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg, schon an den Dritten.“

Man hat richtig gelesen: Deschner wünscht das Ende der Menschheit herbei! Hat man sich also in Deschner getäuscht? Ist er in Wahrheit ein Anti-Humanist von unerhörtem Ausmaß? Keineswegs. In dem Maße, in dem sich der von ihm vertretene Antinatalismus als Humanismus lesen lässt, bleibt Deschner Humanist. Hier schreibt kein missgünstiger Misanthrop, denn er wünscht „allen noch Atmenden hundert oder, warum kleinlich sein, weit mehr glückliche Lebensjahre…“ Den bereits existierenden Menschen also wünscht Deschner alles erdenkliche Gute. Gleichwohl empfiehlt er, nicht so zu handeln, dass neue Menschen zu existieren beginnen, weil unter ihnen zahllose wären, die das Unmenschliche als das Menschliche erleben müssten. Und dem möchte er, der den Krieg kennengelernt hat, keine weiteren Menschen aussetzen.

Aber, dieser Einwand erhebt sich sofort, täte man mit diesem wohlmeinenden Antinatalismus nicht den „Ungeborenen“ – verstanden als: die noch nicht Existierenden – Unrecht? Ließe sich nicht sagen, dass man die „Ungeborenen“ der Chance beraubte, zu leben zu beginnen? Deschner selbst schreibt oben: „Das schmerzt nicht die Ungeborenen; es erspart ihnen viel.“ Tatsächlich ist diese Formulierung etwas missverständlich, legt sie doch nahe, man könne „Ungeborenen“ etwas ersparen. Dem ist mitnichten so. Denn „Ungeborene/Nicht-Existierende“ ist ein Begriff, dem offenkundig nichts in der Realität entspricht. Man kann „ihnen“ nichts Gutes oder Schlechtes tun, indem man so handelt, dass „sie“ nicht zu existieren beginnen.

Und doch gilt: Handelt man so, dass neue Menschen zu existieren beginnen, so wird es nach allem, was wir aus Jahrtausenden Überlieferung wissen – und allen Fortschritten zum Trotz – auch künftig Kriege, Krankheiten und Verzweiflung geben. In Deschners Roman „Die Nacht steht um mein Haus“ lesen wir: „Alle Freuden des Lebens zusammengenommen sind nicht wert, eine einzige große Trauer aufzuwiegen. Nein, sie wiegen sie nicht auf, was man auch dagegen sagen mag, sie wiegen sie nicht auf, wer das sagt, kann nie einen großen, einen wirklich großen Schmerz gehabt haben.“ Neue Menschen dies erleben zu lassen, hält Deschner mit Recht für verfehlt, und es steht zu hoffen, dass sein humanistischer Antinatalismus – der es verdient, als ein wesentlicher Aspekt mitfühlender Weltsicht zur Kenntnis genommen zu werden – weite Verbreitung findet.

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In Memory of Karlheinz Deschner (Teil4)