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Witwe von KZ-Opfer soll Beihilfe erhalten   Leave a comment

Ich finde das skandalös, dass Hinterbliebene von NS-Opfern schlechter gestellt bleiben als Witwen von ehemaligen Wehrmachts- und SS-Angehörigen. Wie kann die Düsseldorfer Bezirksregierung in ihrem Ablehnungsgescheid vom August 2009 behaupten, die 1957 erfolgte Anerkennung des Herzleidens als „verfolgungsbedingt“ sei eine „Falschanerkenntnis“ gewesen? Wie will sie das nach 52 Jahren (!!) feststellen.
Warum gilt bei NS-Opfern der sogenannte Vertrauensschutz für einmal getroffene medizinische Gutachten nicht? Wie will man das begründen? Andere NS-Opfer, die nicht Juden waren (oder sind) dürfen nicht schlechter gestellt werden. Warum soll es nur eine Beihilfe geben und keine Hinterbliebenenrente?

Hier ein Bericht vom WDR

Bezirksregierung Düsseldorf lenkt ein: Witwe von KZ-Opfer soll Beihilfe erhalten

Im Streit um die Hinterbliebenen-Rente für die Witwe eines KZ-Überlebenden hat die Bezirksregierung Düsseldorf am Dienstag (07.08.2012) vor dem Landgericht Düsseldorf einen Vergleich vorgeschlagen: Statt einer Rente soll Eva B. nun Beihilfe erhalten. Der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma wertet das als Erfolg.

„Die Parteien haben auf Anregung des Gerichts einen Vergleich geschlossen“, sagte der Sprecher des Düsseldorfer Landgerichts, Richter Andreas Vitek, am Dienstagmittag zu WDR.de. Demnach soll die Witwe Eva B. rückwirkend von März 2009 an monatlich 600 Euro Beihilfe erhalten. Darüberhinaus will die Bezirksregierung Düsseldorf prüfen, ob die Kosten für die Krankenversorgung übernommen werden können. Die Witwe hat nun drei Wochen Zeit, den Vergleich zu prüfen und gegebenenfalls zu widerrufen. Die ursprünglich beantragte Hinterbliebenen-Rente würde 900 Euro betragen.

Präsentiert hat den Kompromissvorschlag die Düsseldorfer Regierungspräsidentin Anne Lütkes (Grüne), die eigens zu diesem Zweck persönlich vor Gericht erschienen ist. Die studierte Juristin schlug den Vergleich gleich zu Beginn der mündlichen Verhandlung am Dienstag vor. Nach rund drei Jahren juristischer Auseinandersetzung und einem Offenen Brief des Zentralrats der Deutschen Sinti und Roma an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) Ende Juli 2012 war der öffentliche Druck offenbar zu groß geworden. Ihr Angebot hatte Lütke zuvor mit der NRW-Landesregierung abgestimmt. „Ich bin froh, dass wir in diesem Fall zu einer Einigung gefungen haben, die auch im Interesse der Landesregierung ist“, sagte Lütke nach dem Verhandlungstermin.
Ärztliche Befunde nachträglich angezweifelt

Hat geklagt: Witwe Eva B.

Eva B., die Witwe des im Februar 2009 verstorbenen Sinto Anton B., hatte gegen die Bezirksregierung Düsseldorf geklagt, weil diese ihren Antrag auf eine Hinterbliebenen-Rente abgelehnt hatte. Der Mann überlebte als einziges von elf Geschwistern das Konzentrationslager Auschwitz und bekam später sein Leben lang eine Opferrente. Die Behörde zweifelte nun aber nachträglich die ärztlichen Befunde aus den 1950er und 1960er Jahren an, wonach das Herzleiden von Anton B. auf die KZ-Internierung zurückzuführen war. Die Düsseldorfer Bezirksregierung behauptete in ihrem Ablehnungsgescheid vom August 2009, die 1957 erfolgte Anerkennung des Herzleidens als „verfolgungsbedingt“ sei eine „Falschanerkenntnis“ gewesen.
Sinti- und Roma-Verband ist zufrieden

Sieht Erfolg: Romani Rose

„Angesichts der zuvor vehement ablehnenden Haltung der Bezirksregierung Düsseldorf ist der von ihr gemachte Vergleichsvorschlag ein Erfolg für uns“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, am Dienstag zu WDR.de. „Nun muss sichergestellt werden, dass in Zukunft ein derartig skandalöser Umgang mit den Holocaust-Überlebenden von Seiten der Entschädigungsbehörden nicht mehr angestrebt wird.“

Der Gesetzgeber müsse jetzt eine Regelung finden, „damit Hinterbliebene von NS-Opfern nicht schlechter gestellt bleiben als Witwen von ehemaligen Wehrmachts- und SS-Angehörigen.“ Bei Letzteren gelte der sogenannte Vertrauensschutz für einmal getroffene medizinische Gutachten. Diese würden im Nachhinein nicht noch einmal überprüft – bei Holocaust-Opfern dagegen schon.

Diese „Ungleichbehandlung“, so Rose, gehe zurück auf unterschiedliche Regelungen im Bundesentschädigungsgesetz (BEG), das für NS-Opfer gelte, und im Bundesversorgungsgesetz (BVG), das für ehemalige Wehrmachts- und SS-Angehörige zuständig sei.

Lütkes will Debatte über Rechtslage

„Dieser aktuelle Fall zeigt, dass die Rechtslage derzeit in mancher Hinsicht nicht gerecht ist“, bestätigte Regierungspräsidentin Lütkes die Kritik des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Nach der derzeit geltenden Rechtslage sei es „bedauerlicherweise“ nicht möglich gewesen, Eva B. eine Hinterbliebenen-Rente zu gewähren.

„Gerade aufgrund meiner Familiengeschichte fühle ich mich verpflichtet, im Rahmen der Möglichkeiten meines Amtes die bundesweite politische Debatte zu einer Reform des Gesetzes voranzubringen“, so Lütkes, die am Dienstag in einer Pressemitteilung darauf hinwies, dass sie mütterlicherseits aus einer nach den NS-„Rasse“-Gesetzen verfolgten Familie stamme.

Lütkes kündigte an, auch weitere offene, streitige Fälle mit dem Ziel zu prüfen, vergleichsweise Lösungen zu finden: „Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen sich, die rechtlichen Möglichkeiten zugunsten der Hinterbliebenen auszuschöpfen.“ Wie viele andere Fälle nun noch überprüft werden, ließ Lütke offen.

http://www1.wdr.de/themen/politik/holocaustentschaedigung134.html

Gruß Hubert