Archiv für das Schlagwort ‘Sterbehilfe

Sterbehilfe – Die Story im Ersten   Leave a comment

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Mein Körper gehört auch beim Sterben mir. Bei dieser Selbstbestimmung hat kein Staat oder eine andere Institution dreinzureden. Dazu hat man auch das Recht, wenn man nicht unheilbar krank ist oder starke Schmerzen hat, entschied das Bundesverfassungsgericht.

Über zwei Jahre ist es nun schon her, dass das Bundesverfassungsgericht § 217 StGB für verfassungswidrig erklärt hat. Der Senat stellte in seiner wegweisenden Entscheidung fest, dass jeder Mensch ein grundrechtlich verbürgtes Recht auf selbstbestimmtes Sterben hat. Dieses umfasst auch die Hilfe anderer.

Die Beantwortung der Frage, wie das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zukünftig legislativ eingebettet werden soll, ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers. Bereits in der vergangenen Wahlperiode haben wir als eine interfraktionelle Gruppe aus Abgeordneten, bestehend aus mir, Katrin Helling-Plahr (FDP), sowie Dr. Petra Sitte (Linke), Dr. Karl Lauterbach (SPD), Swen Schulz (SPD) und Otto Fricke (FDP), einen Vorstoß gewagt und einen liberalen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der eine Regelung der Suizidhilfe außerhalb des Strafrechts vorsieht. Nach einer personellen Neuaufstellung unserer Gruppe – nun unter Mitwirkung von Helge Lindh (SPD) und Till Steffen (Bündnis 90/Die Grünen) – gilt es nun in der 20. Wahlperiode keine Zeit mehr zu verlieren.

Damit die Debatte wieder fahrt aufnimmt, haben wir im März 2022 eine Podiumsdiskussion über die Neuregelung der Sterbehilfe veranstaltet, an der neben Abgeordneten der Gruppe zahlreiche Expertinnen und Experten teilgenommen haben. Am 18. Mai 2022 folgte sodann die Orientierungsdebatte im Bundestag, bei der wir noch einige Mitstreiterinnen und Mitstreiter für unseren Gesetzentwurf gewinnen konnten. In Kalenderwoche 25 steht nun die erste Lesung unseres Gesetzentwurfes im Plenum an.

Im Mittelpunkt dieses Entwurfes steht der Einzelne, der mit seinem Sterbewunsch nicht länger allein gelassen werden soll. Wir wollen allen Beteiligten einerseits Rechtssicherheit bieten sowie andererseits ein niedrigschwelliges Beratungsangebot zur Seite stellen.

Welche Erwägungen uns noch bei der Erstellung unseres Gesetzentwurfes geleitet haben, können Sie in unserem FAQ nachlesen.

Unseren Gesetzentwurf finden Sie hier.

https://www.helling-plahr.de/podiumsdiskussion_sterbehilfe

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„Die Story im Ersten: Sterbehilfe“ – Harald Mayer kämpft um seinen Tod

Stand: 21.11.2022

Tina Soliman hat den unheilbar kranken Harald Mayer vier Jahre lang mit der Kamera bei seinem Kampf um einen selbstbestimmten Tod begleitet. Der eindringliche Film läuft heute ab 22.20 Uhr im Ersten und ist schon jetzt in der ARD Mediathek abrufbar.

Für jeden Handgriff braucht er einen Pfleger: nachts, wenn er sich umdrehen will, zum Naseputzen, Zudecken, Tränentrocknen. Harald Mayer lebt in totaler Abhängigkeit. Multiple Sklerose hat ihn bewegungsunfähig gemacht. Der ehemalige Feuerwehrmann hat Angst, dass er bald weder schlucken noch atmen kann. Und trotzdem weiterleben muss. Bei vollem Bewusstsein. „Das Leben, das ich habe, das ist kein Leben mehr!“ Harald Mayer will Sterbehilfe.

Assistierter Suizid gesetzlich erlaubt

Die hat er nie bekommen. Denn 2015 hatte der Bundestag die sogenannte geschäftsmäßige Sterbehilfe verboten. Doch das Bundesverfassungsgericht erklärte dieses Gesetz später für grundrechtswidrig, der assistierte Suizid ist seit dem Urteil ohne jede Einschränkung erlaubt. Der Bundestag muss die Sterbehilfe nun neu regeln, wenn er sie einschränken will. Darauf hofft Harald Mayer. Der Schwerstkranke kämpft seit Jahren vor Gericht um die Herausgabe eines Medikaments, dass ihn sanft im Kreis seiner Familie entschlafen ließe. Einer Sterbehilfe-Organisation möchte er sich nicht anvertrauen.

„Die Story im Ersten: Sterbehilfe“ zeigt unterschiedliche Perspektiven

Die vielfach preisgekrönte Autorin Tina Soliman hat den unheilbar kranken Harald Mayer vier Jahre lang mit der Kamera bei seinem Kampf um einen selbstbestimmten Tod begleitet. Entstanden ist ein eindringlicher, oft sehr berührender Film, der die Sterbehilfe aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

https://www.ndr.de/kultur/film/tipps/Die-Story-im-Ersten-Sterbehilfe-Harald-Mayer-kaempft-um-seinen-Tod,sterbehilfe400.html

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Sterbehilfe: Harald Mayer kämpft um seinen Tod

21.11.2022 ∙ Dokus im Ersten ∙ Das Erste

Harald Mayer will Sterbehilfe: Für jeden Handgriff braucht er einen Pfleger, nachts, wenn er sich umdrehen will, zum Naseputzen, Tränentrocknen. Harald Mayer lebt in totaler Abhängigkeit. Multiple Sklerose hat ihn bewegungsunfähig gemacht.

https://www.ardmediathek.de/video/dokus-im-ersten/sterbehilfe-harald-mayer-kaempft-um-seinen-tod/das-erste/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL3JlcG9ydGFnZSBfIGRva3VtZW50YXRpb24gaW0gZXJzdGVuLzliMmFkZGZiLTAxN2YtNGEwYS1iNTkwLWYxOWQwZjk4NWYyZg

 

Veröffentlicht 22. November 2022 von hubert wenzl in Kultur, Medizin, Philosophie, Psychologie

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Was glaubt jemand, der nicht glaubt?   Leave a comment

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In den Medien kommen Nicht-Gläubige, Konfessionslose, in erschreckendem Maße nicht vor. Obwohl die Zahl der Konfessionslosen eine sehr hohe Zahl erreicht hat. Aber es kommt wohl nicht gut an, wenn man über Konfessionslose schreibt. Hingegen bekommen christliche, kirchliche Institutionen breitesten Raum und sehr viel Zeit in den Medien zugewiesen. Das spiegelt die Realität nicht mehr wider.

In Deutschland machen konfessionsfreie Menschen mehr als ein Drittel der Bevölkerung aus, in Berlin stellen sie die übergroße Mehrheit dar.

Hier aus hpd.de – von Uwe Lehnert

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Uwe Lehnert

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Was Christen oder Muslime glauben, das ist in groben Zügen so ziemlich jedem geläufig. Dagegen ist in der Öffentlichkeit so gut wie nichts darüber bekannt, was konfessionsfreie Menschen denken und für „glaubwürdig“ halten. Das ist eigentlich erstaunlich, bilden sie doch in Deutschland mehr als ein Drittel der Bevölkerung, in Berlin zum Beispiel stellen sie die übergroße Mehrheit dar.

Eine repräsentative Befragung des Meinungsforschungsinstitut Emnid im Frühjahr 2016 ergab für Berlin, dass sich 61 Prozent der Berliner als konfessionsfrei, 21 Prozent als evangelisch und 9 Prozent als Mitglied der katholischen Kirche bezeichneten. In den restlichen 9 Prozent sind Muslime, Juden und ca. 50 weitere Religionsgemeinschaften enthalten.

Konfessionsfreie vertreten mehrheitlich eine Weltanschauung, die sich bewusst von Religion und einem über Allem stehenden Gott abgrenzt. Eine Minderheit unter ihnen ist zwar aus der Kirche ausgetreten, betrachtet sich aber oft noch in irgendeiner Weise als religiös.

Nichtreligiöse Menschen gibt es offiziell faktisch nicht

Rundfunk und Fernsehen halten sich vornehm zurück, wenn es um die Darstellung des Denkens und Handelns nichtreligiöser Menschen in Deutschland geht. Dabei ist in allen Staatsverträgen, die zwischen jedem Bundesland und den jeweiligen Rundfunk- und Fernsehanstalten geschlossen wurden, ausdrücklich festgeschrieben, dass diese über alle relevanten gesellschaftlichen Gruppierungen und über alle relevanten gesellschaftlichen Ansichten und Meinungen angemessen zu berichten hätten. Aber lediglich die „staatstragenden“ Religionen haben Vertreter in den Medienräten. Und von denen verfügen fast nur die christlichen Kirchen über eigene Redaktionen und feste Sendezeiten. Diese besitzen somit trotz aller behaupteten Trennung von Staat und Religion ein staatlich gewährtes Privileg.

Bei den Tages- und Wochenzeitungen sieht es ähnlich aus. Weltanschauliche Fragen, die um die Themen weltlicher Humanismus, Religionskritik, gar Atheismus kreisen, scheinen geradezu tabu zu sein. Angesichts der Vielzahl von religions- und kirchenkritischen Büchern – siehe bei den Internet-Buchversendern, nicht in den Buchhandlungen! – ist es auffällig, dass solche Literatur praktisch nie in den Kultur- und Literaturteilen der Druckmedien erwähnt wird. Ausnahmen bilden allenfalls mal ein Buch eines hochrenommierte Autors wie Richard Dawkins („Der Gotteswahn“) oder ein Interview mit dem säkularen Humanisten Michael Schmidt-Salomon.

Religiöse und die Kirchen betreffende Fragen werden täglich, ausführlich und wie selbstverständlich in Funk und Presse thematisiert. Konfessionsfreie Menschen erheben den Anspruch, mit eben solcher Selbstverständlichkeit weltanschauliche Alternativen zur Religion und Themen, die sich kritisch bis ablehnend mit Religion befassen, öffentlich zu diskutieren. Immerhin betreffen solche Themen mehr als ein Drittel der deutschen Bürger, in den Großstädten mit ihren vielfältigen Bildungsangeboten sogar die Mehrheit. Haben nicht Rundfunk und Fernsehen, aber natürlich auch die Druckmedien, geradezu den – selbst auferlegten – Auftrag, über alles, was von gesellschaftlicher Bedeutung ist, zu berichten? Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. März 2014 zum ZDF-Staatsvertrag ausgeführt: „Neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden müssen untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen, die nicht ohne weiteres Medienzugang haben, und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven (in den Aufsichtsgremien; U.L.) abgebildet werden.“ Die Ausführungen bezogen sich zwar auf die Ausgestaltung des ZDF-Staatsvertrags, bilden aber erkennbar eine Aussage von allgemeinerer Bedeutung.

Als entschuldigendes Argument wird regelmäßig vorgetragen, dass die Konfessionsfreien nicht repräsentativ organisiert seien, keinen Ansprechpartner hätten und von daher als quasi nicht vorhanden erscheinen. Abgesehen davon, dass Unorganisiertheit kein Argument sein kann für die Missachtung des Rechts auf mediale Berücksichtigung relevanter Bevölkerungsgruppen. In dieser Pauschalität trifft das Argument der nicht existierenden Ansprechpartner ohnehin nicht zu. KORSO ist ein Verbund von acht bundesweiten und einigen weiteren regionalen säkularen Organisationen, in denen konfessionsfreie Menschen sich zusammengeschlossen haben. Eine dieser bundesweit agierenden Organisationen, in der sich nichtreligiöse Menschen zusammengefunden haben, ist zum Beispiel der Humanistische Verband Deutschland (HVD). Der HVD ist in Berlin Träger von über 60 sozialen, kulturellen und pädagogischen Projekten und Einrichtungen. Er hat in Berlin etwa 12000 Mitglieder und rund 1.000 hauptamtliche und über 750 ehrenamtliche Mitarbeiter. Er unterstützt – vergleichbar den Kirchen – Menschen in allen Lebensphasen: von der Schwangerschaft, feierlichen Namensgebung, über die Kindererziehung, Jugendweihe, Jugend- und Bildungsarbeit, bis hin zur Sozialarbeit, Altenpflege und Sterbebegleitung. Derzeit erhalten ca. 60 000 Schüler und Schülerinnen durch Lehrer des Humanistischen Verbandes humanistischen Lebenskundeunterricht, ein fakultativer Weltanschauungsunterricht statt der bisher üblichen religiösen Unterweisung.

Humanistische Vorstellungen sind überraschend weit verbreitet

Über solche umfangreichen Aktivitäten eines betont nichtreligiösen Verbands wenigstens gelegentlich zu berichten, sollte für die Rundfunkhörer, Fernsehzuschauer oder Zeitungsleser nicht interessant sein? Wo doch selbst nebensächliches kirchliches Geschehen oder nur mäßig interessante Äußerungen ihrer Repräsentanten stets Eingang in unsere Medien finden. Bei rund 3 Mill. Berliner Bürgern über 14 Jahre wären das bei etwa 60 Prozent Konfessionsfreien etwa 1,8 Mill. potentielle Interessenten. Das einzige Presseorgan Deutschlands, das regelmäßig und umfassend Nachrichten und Kommentare zu aktuellen Ereignissen bringt, die die deutsche und internationale humanistische Szene betreffen, ist der Humanistische Pressedienst (hpd.de). Mit mehr als 5.000 Klicks pro Tag und mehr als 2 Millionen Seitenaufrufen im Jahr ist dieses Internetportal das wichtigste Online-Medium zu freigeistig-humanistischen Themen im deutschsprachigen Raum.

„Themen wie säkularer Humanismus, Leben ohne Gott, der problematische politische Einfluss der Kirchen, Trennung von Kirche und Staat, Sterbehilfe aus humanistischer Sicht u.v.a.m. werden in der deutschen Medienlandschaft weitgehend gemieden.“

Leider zeigt sich auch hier, dass Presse, Rundfunk und Fernsehen Nachrichten aus der säkularen Welt dort offenbar auch nur sehr zurückhaltend, wenn überhaupt abrufen. Themen wie säkularer Humanismus, Leben ohne Gott, der problematische politische Einfluss der Kirchen, Trennung von Kirche und Staat, Sterbehilfe aus humanistischer Sicht u.v.a.m. werden in der deutschen Medienlandschaft weitgehend gemieden. Die Behandlung solcher Themen würde deutlich machen, dass es eine lebendige und aktive humanistische Szene in Deutschland gibt. Das ist politisch augenscheinlich unerwünscht. Daher ist es verständlich, dass in oben erwähnter Emnid-Befragung 54 Prozent der interviewten Berliner sich durch die Medien und die Politik nicht ausreichend über die große Gruppe der Konfessionsfreien informiert fühlen.

Seit 2016 haben in Berlin Schüler mit humanistischer Lebensauffassung am 21. Juni, dem Welthumanistentag, Anspruch auf einen schulfreien Tag. Bischof Markus Dröge war pikiert und empfand diese Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, die übrigens im Grundgesetz festgeschrieben ist, als „Entwertung des christlichen Glaubens“. Welcher anmaßende Anspruch seitens einer religiösen Lehre, die in dieser Stadt nur scheinbar noch 30 Prozent ihrer Bürger vertritt, steckt in dieser Aussage!

Dass die Mitgliedschaft in der Kirche in sehr vielen Fällen nur noch ein formale ist, geht ebenfalls aus obiger Umfrage hervor. Diese repräsentative Studie erbrachte hinsichtlich der Einstellung auch der kirchlich organisierten Bürger höchst bemerkenswerte Einsichten und ließ erkennen, wie wenig lebensbestimmend christliche Auffassungen selbst bei Kirchenmitgliedern noch sind. Eine der zu beantwortenden Aussagen lautete: „Ich führe ein selbstbestimmtes Leben, das auf ethischen und moralischen Grundüberzeugungen beruht und frei ist von Religion und Glauben an einen Gott.“ Überwältigende 74 Prozent der befragten Berliner stimmten mit einer solchen humanistischen Lebensauffassung überein.

[…]

Eine ähnliche Problematik zeigt die sog. Sterbehilfe für Menschen mit unheilbarer Krankheit und unerträglichen Schmerzen, die selbst den festen Wunsch nach Erlösung von ihrem Leiden äußern. Die bisher erlaubte Hilfe eines Arztes beim selbst gewünschten Freitod ist inzwischen durch den Gesetzgeber faktisch unter Strafe gestellt worden. Dahinter steht ebenfalls die christlich-religiöse Auffassung, dass „das eigene Leben unverfügbar sei“, „allein Gott entscheide, wann das Leben endet“ und „als Geschenk Gottes unter keinen Umständen angetastet werden dürfe“.

In beiden genannten Fällen wird das grundgesetzlich garantierte Recht auf Selbstbestimmung über das eigene Leben und den eigenen Körper massiv missachtet. Als erklärter Nichtchrist akzeptiere ich nicht, dass der Staat mir das grundgesetzlich garantierte Selbstbestimmungsrecht so weitgehend beschneidet. In einem demokratischen Staat, der vorgibt, weltanschaulich neutral zu sein, muss es möglich sein, unabhängig von religiöser Bevormundung zu leben und auch zu sterben. Immerhin haben inzwischen Gerichte bis hinauf zum Bundesgerichtshof das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende immer wieder bestätigt.

Bei allem Protest von kirchlicher Seite an den Initiativen nichtreligiöser Kreise ist festzuhalten, dass kein Christ gezwungen ist, sich der liberaleren Auffassung eines Nichtchristen zur Sterbehilfe anzuschließen. Für einen wahren und überzeugten Christen müssten staatliche Gesetze zur Sterbehilfe, zum Schwangerschaftsabbruch oder etwa zur Präimplantationsdiagnostik überflüssig sein, denn es müsste ihm ja ein gern erfülltes Anliegen sein, Gottes Gebote, wie sie die Kirche für ihn festlegt, zu befolgen. Dass es dafür staatliche Gesetze gibt, die auch für den Nichtchristen gelten, der in diesen Fragen eventuell eine andere, ebenso zu achtende Auffassung hat, ist dem immer noch vorhandenen kirchlichen Streben nach Herrschaft „über die Seelen“ geschuldet.

Dieses Streben nach Macht und Einfluss manifestiert sich in gesellschaftlichen Strukturen (z.B. im Erziehungswesen), wirkt unbewusst als tradiertes Wertesystem noch in den Köpfen selbst Glaubensferner und zeigt sich zum Beispiel in einem kirchlich-staatlichen Machtdenken, das stets mehr durch Verbieten als durch Vorleben und Überzeugen gekennzeichnet war. Diese aus dem Glauben folgenden strafbewehrten Verbote lassen einerseits erkennen, dass die Kirche ihrer eigenen Klientel nicht traut, andererseits sich anmaßt, auch allen Nichtgläubigen auf dem Umweg über staatliche Gesetze ihre Glaubensauffassung aufzuzwingen.

Wer sich bei medizinisch-ethischen Fragen auf ein Menschenbild beruft, das seine Wurzeln in den Jahrtausende alten Legenden eines einst in der Wüste lebenden Hirtenvolkes hat, wird in immer größere Abwehrkämpfe geraten und sein Heil letztlich immer nur in Verboten und mehr oder weniger willkürlichen Einschränkungen sehen. Ausschlaggebende und hilfreiche Argumente in solchen Entscheidungssituationen sind für mich die Antworten auf die Leitfragen: Wem nützt es? Wem schadet es? Wie kann Wohlbefinden, Gesundheit, Glück vermehrt, wie kann Leid verhindert werden? Warum einem schwerbehinderten, zukünftig lebenslang leidenden Menschen nicht schon vor seiner Geburt die Gnade der Nichtexistenz gewähren? Ist es mit christlicher Barmherzigkeit zu vereinbaren, einen schwerstleidenden Menschen der Folter unsäglicher, nicht zu stillender Schmerzen bis zum natürlichen Tod auszuliefern?

Ich sehe das Leben mit gedanklich erzeugten religiösen Konstrukten, die das Verhalten der Menschen lenken, als eine – einst vermutlich vorteilhafte – evolutionäre Phase der Menschheit an, die langsam abgelöst wird durch eine evolutionär sich weiter entwickelnde Wissenschaft und Philosophie vom Menschen. Am Horizont zeichnen sich Lebenskonzepte ab, die ohne einen imaginierten Übervater auskommen und die sich auf die im Menschen schlummernden Kräfte besinnen. Trotz des augenblicklich zu beobachtenden Rückfalls in die alten Illusionssysteme – was als ein letztes Aufbäumen eines alten Denkens zu interpretieren ist – dürfte feststehen, dass die Zeit dieser alten Glaubenssysteme sich dem Ende zuneigt. Dennoch muss wohl mit einem noch viele Jahrzehnte dauernden Kampf zwischen Vernunft und Glauben, zwischen realitätsbezogenem und illusionsgesteuertem Denken gerechnet werden.

Denn weltlicher Humanismus sieht sich umstellt von religiösen – christlichen, jüdischen und verstärkt in letzter Zeit islamischen – Kräften, die versuchen, mit politischen, juristischen, pädagogischen und medialen Mitteln die Entfaltung einer alternativen Weltanschauung zu behindern, wenn nicht zu verhindern. Diese weltanschaulichen Konflikte gefährden in einer zunehmend multiweltanschaulichen Gesellschaft den sozialen Frieden. Die Lösung kann vorerst nur in einer laizistischen Gesellschaftsordnung bestehen, das heißt, in einer konsequenten Trennung von Staat und Religion und in einer an der Erfahrung orientierten und konkreter definierten Religionsfreiheit.

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Hier weiterlesen:

Was glaubt jemand, der nicht glaubt?

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Zu den Ergebnissen der erwähnten EMNID-Umfrage siehe auch: „Drei Viertel der BerlinerInnen mit humanistischer Lebensauffassung“
https://hpd.de/artikel/drei-viertel-berlinerinnen-humanistischer-lebensauffassung-13171

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Gruß Hubert

 

Die Macht der Religiösen   Leave a comment

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Allgemein wird ja angenommen, dass die Macht der Religiösen und der Kirchen drastisch abgenommen hat. Welche Macht sie noch haben sieht man im folgenden Beitrag.

 

Carsten Frerk hat mit seiner vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten angestoßenen und finanzierten Studie Kirchenrepublik Deutschland. Christlicher Lobbyismus1 erstmals den Einfluss der Kirchen auf die Politik genauer analysiert. Dabei hat der Politikwissenschaftler eine beeindruckende Menge an Material zusammengetragen und ausgewertet. Doch wie Frerk selbst feststellt, kann dies erst eine „Annäherung“ an das Thema sein. Das für die säkulare Szene wichtigste Projekt muss weiter vorangetrieben werden.

In der Bundesrepublik ist zunehmend zu beobachten, dass in den Parlamenten deutliche Defizite bei der Vertretung großer Bevölkerungsgruppen auftreten. So sind über 20 Prozent der Bundestagsabgeordneten Juristen, der Anteil der Juristen in der Bevölke­rung liegt jedoch deutlich unter einem Prozent. Ein solches Repräsentations­defizit lässt sich nicht zuletzt für die Vertretung von säkularen Interessen feststellen. Zwar sind nur noch wenige Menschen in der Bundesrepublik im strengen Sinne religiös, im Parlament tummeln sich dagegen auffällig viele Frömmler. Gut zu erkennen war dies an der erst kürzlich geführten Debatte zur Sterbehilfe, bei der zahlreiche Abgeordnete sich von irrationalen religiösen Gefühlen leiten ließen.

Frerks Studie zur Kirchenrepublik hat nun erstmals ein wenig Licht ins dieses Dunkel gebracht. Sehr umfassend hat der Politikwissenschaftler sich die Lobbyarbeit der Kirchen angesehen. Detailliert nennt er Namen, zeigt Verbindungen auf, erklärt, wie die kirchlichen Lobbybüros auf Länder und Bundesebene arbeiten, wirft einen strengen Blick auf Postenwechsler, zeigt wie intensiv die Kirchen bei der Gesetzgebung eingebunden werden und entlarvt die verfassungsgemäße Trennung von Staat und Kirche somit als Märchen. Dennoch ist Frerks Arbeit erst ein Anfang, denn der Autor selbst spricht von ihr als einer „Annäherung“. Und tatsächlich sind noch viele Bereiche unerforscht, nur grob skizziert oder es fehlen noch systematischere Analysen. Im Folgenden werde ich einige dieser Bereiche darstellen, gleichwohl kann auch dies im Rahmen eines solchen Zeitschriftenartikels nur ein Anfang sein.

Wirtschaft

Sehr umfassend erforscht ist inzwischen (dank Carstens Frerks Studien zu den Finanzen der Kirchen), wie sich die Kirchen als Wirtschaftsunternehmen betätigen. Daran anknüpfend hat Frerk in seinem Buch Kirchenrepublik Deutschland nun umfassend dargestellt, dass die Kirchen ganz besonders intensiv Lobbying betreiben, wenn es um ihre finanziellen Interessen geht. Weitgehend unerforscht ist jedoch noch ein anderer Bereich. Denn es gibt eine ganze Fülle christlicher Organisationen im Bereich der Privatwirtschaft. Dazu gehören der Christliche Unternehmer e.V., der Christen in der Wirtschaft e.V., die Vereinigung Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung, der Bund Katholischer Unternehmer e.V., der Arbeitskreis Evangelikaler Unternehmer und noch viele mehr. Hier stellt sich gleich eine ganze Reihe an Fragen. Wie stehen diese Organisationen zur Kirche? Welche Ziele verfolgen sie? Wie sind diese ins kirchliche Netzwerk eingebunden? Wird hier kirchliche Lobbyarbeit quasi über Bande gespielt? Zudem wäre es interessant zu wissen, welche Wirtschaftsbosse sich für die Kirchen und deren Interessen einsetzen. Auf all diese Fragen fehlen uns derzeit noch aussagekräftige Antworten.

Lobbyarbeit anderer religiöser Gruppen

Zur Lobbyarbeit der Evangelischen Allianz hat Carsten Frerk in Kirchenrepublik Deutschland bereits erste Vorarbeiten geleistet. Weitgehend unberücksichtigt geblieben ist aber bislang, wie zum Beispiel die Islamverbände in Deutschland Lobbying betreiben. Wie drängend es wäre, sich diesem Thema zu widmen, zeigt ein Blick auf die jüngsten Entwicklungen. So wird derzeit nahezu flächendeckend ein Islamunterricht eingeführt, der voraussehbar durch konservative Gruppen und Verbände bestimmt werden wird. Absehbar ist zudem, dass zumindest die großen Islamverbände schon bald in den Genuss weiterer staatlicher Förderung kommen werden. Justizminister Heiko Maas hat diesen Willen erst kürzlich in einem Interview bekräftigt. Zudem hat die Debatte um die Beschneidung gezeigt, wie schnell unsere Volksvertreter sich dem Diktat der Religiösen unterwerfen, wenn Islamverbände, Kirchen und der Zentralrat der Juden an einem Strang ziehen. Dann werden Menschenrechte binnen kürzester Zeit einfach außer Kraft gesetzt. Es wäre also geboten, zu untersuchen in welcher Form die unterschiedlichen religiösen Verbände zusammenarbeiten und ob gemeinsame Strategien existieren.

Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Bevölkerung von allen politischen Institutionen den besten Ruf und das bei genauerer Betrachtung zu Unrecht. Denn das Verfassungsgericht ist keineswegs politisch neutral; wie Studien gezeigt haben, sind dessen Entscheidungen ganz maßgeblich davon beeinflusst, wen die Parteien dorthin entsandt haben. So wäre das „Kruzifixurteil“ 1995 wohl kaum so positiv für Säkulare ausgefallen, wenn im Senat damals mehrheitlich getreue Christdemokraten gesessen hätten. Carsten Frerk hat in seiner Studie das Verfassungsgericht aus säkularer Perspektive in Augenschein genommen und konnte zeigen, dass christlich geprägte Richter keine Seltenheit dort sind. Gleichwohl fehlt es noch an einer systematischen Analyse darüber, wie groß der Einfluss religiöser Gruppen auf das Verfassungsgericht tatsächlich ist und wie häufig Urteile entsprechend beeinflusst sind. Zudem wäre es geboten, sich genau anzusehen, warum auffällig häufig Klagen, die das Verhältnis von Staat und Kirche betreffen, abgewiesen werden. So zuletzt bei einer Klage gegen die Konkordatslehrstühle.

Medien

Auch der Bereich der Beeinflussung der Medien durch religiöse Lobbyisten und religiös geprägte Verantwortliche ist noch nicht ausreichend untersucht. Carsten Frerk geht hier in seinem Buch nur oberflächlich darauf ein und verweist u.a. auf die einschlägigen Arbeiten von Uli Schauen, der das Thema ja auch schon für die MIZ näher beleuchtet hat. Gleichwohl fehlt es noch an einer umfangreichen wissenschaftlichen Analyse. Dabei wäre besonders interessant, systematisch zu analysieren, wie häufig sich religiöse Propaganda in der täglichen Berichterstattung in den unterschiedlichen Medien niederschlägt. Bei den öffentlich-rechtlichen Medien gibt es hierzu zwar bereits erste Erkenntnisse, eine Analyse der privaten Medien steht jedoch noch aus.

Wissenschaft

Ebenfalls noch weitgehend unerforscht ist der Einfluss der Kirchen auf die Wissenschaft. Zwar wissen wir dank Carsten Frerks Vorarbeit, dass im Bereich des Staatskirchenrechts sich zahlreiche kirchennahe Professoren tummeln. Das ganze Ausmaß der kirchlichen Unterwanderung der Wissenschaften liegt jedoch noch weitgehend im Dunkeln. Auffällig ist auf den ersten Blick jedoch, dass die Kirchen in den unterschiedlichsten Fachbereichen über ihnen nahe stehende Professoren verfügen. So weiß ich aus meinem eigenem Bereich, der Religionssoziologie, dass sehr viele Lehrstühle mit religiös geprägten Professoren besetzt sind, was sich mitunter in abenteuerlichen Forschungsergebnissen widerspiegelt. Ebenfalls kein Geheimnis ist es, dass die Religionswissenschaften kirchlich unterwandert sind und auch im Bereich der alten Geschichte gibt es bekanntermaßen viele Professoren, die religiös eingefärbte Forschung betreiben.

Politische Sozialisation

Weitgehend unberücksichtigt geblieben ist das Thema Politische Sozialisation. Aus der Soziologie wissen wir, dass sich politisches Engagement in Parteien bereits sehr früh abzeichnet. Oftmals spielt hier die Herkunft eine entscheidende Rolle. Sind die Eltern politisch aktiv, so sind es oft auch die Kinder und das dann nicht selten in der gleichen Partei. Einen ähnlichen Zusammenhang gibt es ebenfalls bei religiösem Engagement. Hier ist ebenfalls die Herkunft entscheidend. Auffällig ist zudem, dass religiös geprägte Jugendliche besonders häufig sich politisch engagieren. Ein Musterbeispiel für einen solchen Lebenslauf ist die 1966 geborene Bundestagsabgeordnete Kerstin Griese, der wir das neue desaströse Gesetz zur Sterbehilfe zu verdanken haben. Bereits als Schülerin engagierte sie sich intensiv für die evangelische Kirche. So war sie von 1979 bis 1989 in der Jugendarbeit der Evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf-Urdenbach und im Kir­chenkreisverband Düsseldorf tätig. Zudem war sie von 1987 bis 1989 Jugend­delegierte zur Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Nachdem sie dann zunächst einige Jahre stellvertretendes Mitglied der Synode der EKD war, ist sie seit 2003 Mitglied der Synode und seit 2015 Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland.4 Griese ist zudem bestens vernetzt und Mitglied in zahlreichen christlich geprägten Organisationen u.a. bei der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf e.V., im Verein der Freundinnen und Freunde des Deutschen Evangelischen Kirchentages e.V., im Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V. und bei der Bergischen Diakonie Aprath.
Griese ist beileibe kein Einzelfall. Betrachtet man die Lebensläufe von Bundestagsabgeordneten, dann fällt schnell ins Auge, dass viele sich bereits früh im kirchlichen Bereich engagiert haben und das ist längst nicht nur bei Christdemokraten der Fall. Tatsächlich wäre hierzu ein umfangreiches Forschungsprojekt geboten, welches folgende zentrale Fragen zu beantworten hätte: Warum sind religiös geprägte Jugendliche eher bereit, sich in politischen Parteien zu engagieren? Wie sehen typische Lebensläufe angehender Politiker aus, die über einen religiösen Background verfügen? Was tun die Kirchen, um ihre „Zöglinge“ in parteipolitische Positionen zu bringen? Und wie beeinflussbar sind Politiker mit Religionshintergrund durch den sozialen Druck, dem sie durch ihre Religionsgemeinschaften ausgesetzt sind. Es sind in diesem Bereich also noch viele Fragen offen.

Fazit: Carstens Frerks verdienstvolle Arbeit sollte als Startschuss für weitere umfangreiche Forschung gesehen werden. Wir müssen als Säkulare umfassend verstehen, auf was der ungebrochen starke Einfluss der Kirchen, aber auch anderer Religionsgemeinschaften basiert.

Von Frank Welker

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Die Macht der Religiösen

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Nachtrag.

Wenn man sieht wie selbst Linke (oder Pseudo-Linke) den Kirchen hinten rein kriechen, braucht man sich nur Gregor Gysi anschauen.

 

Gysi: Bibel ist eines der wichtigsten Bücher

Die Micha-Initiative hat den Abgeordneten des Deutschen Bundestages am Donnerstag Bibel-Ausgaben geschenkt. Dabei gab sich der Linken-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi als Bibel-Fan zu erkennen.

[…]

Gysi erklärte, er sei zwar nicht christlich, das bedeute aber nicht, dass er die Religion bekämpfe. „Wenn wir nicht den Einfluss der Kirchen und der Religion hätten, gäbe es keine allgemein verbindliche Norm.“ Die Bibel sei eines der wichtigsten Werke.

Hier weiterlesen:

Gysi: Bibel ist eines der wichtigsten Bücher

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Sterbehilfe

Hier noch die noch ein paar Sätze zum neuen Sterbehilfegesetz. Die vorwiegende Position der Kirchen: Hospiz, Hände halten… usw.

 

Kerstin Griese hat mit Michael Brand einen Antrag zur Sterbehilfe in den Bundestag eingebracht

Kerstin Griese hat mit Michael Brand einen Antrag zur Sterbehilfe in den Bundestag eingebracht – Foto: pro

 

Eine Koalitionsgruppe um Peter Hintze (CDU) will für sterbenskranke, schwerstleidende Menschen die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids schaffen

Eine Koalitionsgruppe um Peter Hintze (CDU) will für sterbenskranke, schwerstleidende Menschen die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids schaffen
Foto: CDU/CSU

„Nicht Staatsanwälte, sondern liebe Menschen am Krankenbett“

Eine Gruppe von Abgeordneten um Peter Hintze (CDU) sowie Carola Reimann und Karl Lauterbach (SPD) will für sterbenskranke, schwerstleidende Menschen die Möglichkeit des ärztlich begleiteten Suizids schaffen. Dies soll im Zivilrecht geregelt werden. Hintze forderte, dass die Hilfe zum Suizid auch weiter straflos bleiben müsse. „Nicht die Staatsanwälte gehören ans Krankenbett, sondern liebe Menschen.“

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Hier kann ich nur die Position von den obigen drei Bundestagsabgeordneten gutheißen. Meinen besonderen Respekt für Peter Hintze von der CDU, der sich damit ja gegen christliche Grundsätze zum Thema Sterbehilfe stellt und für Leidverminderung.

Zur schwierigen Debatte um die Sterbehilfe

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Gruß Hubert

 

Sterbehilfe – wann ist sie strafbar?   2 comments

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Sterbehilfe ist ja ein sehr komplexes und delikates Thema. Es wird deshalb auch sehr konträr diskutiert. Meiner Ansicht sollte jemand nicht lange leiden müssen, wenn es keine Aussicht auf Heilung gibt und die Person es nicht will. Ein Mensch sollte selbstbestimmt und in Würde sterben dürfen. Es gibt viele Facetten, die es bei der Sterbehilfe zu beachten gibt. Leicht kann man da konfus werden, mich nicht ausgenommen. Sterbehilfe wird auch in europäischen Ländern sehr unterschiedlich diskutiert und behandelt.
Hier ein Artikel von Netdoktor.

Selbstbestimmt leben, selbstbestimmt sterben – das ist für viele Befürworter der Sterbehilfe das Hauptargument.  Welche Arten von Sterbehilfe es gibt, wie andere Länder damit umgehen und was in Deutschland der rechtliche Rahmen dazu ist, erfahren Sie hier.

Gesund im hohen Alter einschlafen und nicht wieder aufwachen – diese Vorstellung vom Sterben wird nur für wenige Wirklichkeit. Oft zieht sich das Sterben hin und kann mit Schmerzen und drastischen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden sein. Nicht zuletzt haben viele Sterbende Angst, ihrer Umwelt „zur Last“ zu fallen. Dies alles schürt Ängste und weckt bei manchen den Wunsch, selbst zu bestimmen, wann sie sterben – auch, wenn dazu die Hilfe Dritter nötig ist.

Was ist Sterbehilfe?

Darf man jemandem beim Sterben helfen? Dies ist eine heiß diskutierte Frage, an der sich sowohl Ethiker als auch die Gesetzgebung immer wieder abarbeiten. Grundsätzlich werden verschiedene Formen der Sterbehilfe definiert:

Passive Sterbehilfe: Hierbei werden lebensverlängernde Maßnahmen (zum Beispiel künstliche Ernährung, Beatmung oder die Gabe bestimmter lebenserhaltender Medikamente) nicht fortgesetzt. Grundlage hierfür ist normalerweise der ausdrückliche Patientenwille, zum Beispiel in Form einer Patientenverfügung. Liegt dieser vor, ist die passive Sterbehilfe in Deutschland nicht strafbar.

Indirekte Sterbehilfe: Hierunter versteht etwa man die Gabe von Schmerz- oder Beruhigungsmitteln, die das Leiden lindern, gleichzeitig aber auch die Lebenserwartung einschränken. Ein Beispiel sind Opiate, die den Schmerz und die Angst nehmen, gleichzeitig aber auch die Atmung dämpfen. Letzterer Effekt wird dann billigend in Kauf genommen – auch ausdrücklich bestätigt durch ein Urteil des Bundesgerichtshofes von 1996. Indirekte Sterbehilfe ist demzufolge in Deutschland nicht strafbar.

Beihilfe zur Selbsttötung: Ein Selbstmord – zum Beispiel mit einem Giftcocktail – wird juristisch nicht geahndet. Rein rechtlich ist auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar. Allerdings können Helfer anschließend wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. Ärzten allerdings verbietet das Berufsrecht, Menschen bei der Selbsttötung zu assistieren. Ein Verstoß kann zum Beispiel den Entzug der ärztlichen Berufserlaubnis zur Folge haben.

Aktive Selbsttötung: Sie wird auch „Tötung auf Verlangen“ genannt und ist in Deutschland strafbar. Gemeint ist zum Beispiel, wenn jemand einem Sterbenden ein tödliches Mittel verabreicht – auch, wenn dieser das ausdrücklich gewünscht hat. Wer sich hier schuldig macht, muss mit einer Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren rechnen.

Diskussionspunkt: Beihilfe zur Selbsttötung

Die Debatten, die derzeit geführt werden, beschäftigen sich vor allem mit der Beihilfe zur Selbsttötung. Denn diese nutzen zum Beispiel Sterbevereine oder andere Organisationen, die Sterbehilfe anbieten. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe wünscht sich ein umfassendes Verbot für alle derartigen Sterbehilfeangebote. Niemand solle kommerziellen Nutzen aus dem Leid und Tod anderer Menschen ziehen.

Abgeordnete aus Union und SPD dagegen wollen, dass es zumindest Ärzten gesetzlich erlaubt wird, den Wunsch auf Selbsttötung zu unterstützen – in einem engen gesetzlichen Rahmen zumindest. Die Bundesärztekammer weist allerdings darauf hin, dass Ärzte dazu verpflichtet sind, das Leben zu erhalten, nicht dabei zu helfen es zu beenden. Ein klares Nein also zur ärztlichen Sterbehilfe.

In einem Punkt allerdings sind sich alle Seiten einig: Deutschland soll in der Palliativ- und Hospizversorgung besser werden. Im Frühjahr 2015 sollen Gesetzentwürfe zur Regelung der Sterbehilfe in Deutschland vorgelegt und nach parlamentarischen Debatten im Laufe des Jahres auf den Weg gebracht werden.

Sterbehilfe in Europa

Unwahrscheinlich ist allerdings, dass die Sterbehilfe in Deutschland in absehbarer Zeit ähnlich liberal gehandhabt wird wie beispielsweise bei den europäischen Nachbarn Belgien oder Luxemburg. Dort ist aktive Sterbehilfe unter bestimmten Umständen durch einen Arzt erlaubt. Wichtig sei unter anderem, dass der Patient in einer medizinisch ausweglosen Situation steckt und abzusehen ist, dass sein restliches Leben mit unerträglichem Leiden einhergehen würde.

In der Schweiz ist aktive Sterbehilfe verboten,  die Beihilfe zum Selbstmord allerdings straffrei, solange keine „selbstsüchtigen“ Gründe dafür vorliegen. Mehrere Sterbehilfeorganisationen wie beispielsweise „Dignitas“ oder „Exit“ arbeiten auf dieser gesetzlichen Grundlage.

Italien, Österreich oder Dänemark verbieten gesetzlich die aktive Sterbehilfe und die Beihilfe zum Selbstmord, passive oder indirekte Sterbehilfe sind dagegen erlaubt.

Sterbehilfe – wann ist sie strafbar?

 

Mein Tod gehört mir (S)


http://www.4shared.com/video/g5NFjVzDce/Mein_Tod_gehrt_mir___S_.html
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Wenn Selbstbestimmung überhaupt einen Sinn hat, dann können ja nicht andere darüber verfügen ob mein Leben lebenswert ist oder nicht. Nur der Einzelne kann das für sich entscheiden. Es kann ja niemand zum Sterben gedrängt werden aber doch nicht auch zum Leben gezwungen werden.

 

Der Abschiedsbrief von Udo Reiter
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Gruß Hubert

Veröffentlicht 2. Juli 2015 von hubert wenzl in Medizin, Politik

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Unheilbarer Gehirntumor – Sterbehilfe   Leave a comment

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Ich muss selbstbestimmt sagen können ob ich noch weiterleben will oder nicht, egal aus welchem Grund. Ich lasse mir von keinem Pf-affen Affen sagen ober ich noch weiterleben „muss“. Müssen tut man nur sterben.

Es ist in meinen Augen einfach nicht hinnehmbar, dass Menschen sich anmaßen, anderen Menschen ein so fundamentales Recht, wie das auf einen frei gewählten Tod, zu untersagen. Und zu diesem „frei“ gehört nicht bloß, dass man sich neben dem Zeitpunkt auch den Weg aussuchen darf, den zu gehen man selbst in der Lage ist. Wenn ich unerträgliche Schmerzen habe, nützt es auch nichts, wenn mir jemand die Hand hält, sofern hierfür überhaupt die Zeit vorhanden ist, wie es von Christlichen in der Palliativmedizin immer wieder vorgebracht wird. Für Theologen, wie dem Erzbischof von Portland – USA, Alexander King Sample, hat das Leben immer Wert und ist kostbar, ganz egal in welchem Zustand wir uns befinden. Ganz egal in welchem Zustand wir uns befinden?? Zu sehen im Video im Link ganz unten bei Position 50 Sekunden zirka.

Ich kann mich wunderbar an Udo Reiter anschließen, der sich im Oktober dieses Jahres das Leben nahm, anschließen.
Er hat zum Revolver gegriffen. Er hat sich das Recht genommen, ganz selbstbestimmt. Die Selbstbestimmung muss prinzipiell gelten, sagte er. Sogar als Lebenssattheit muss ich mir das Leben nehmen dürfen.

„Ich möchte das an meinem Beispiel deutlich machen. Ich sitze seit 47 Jahren im Rollstuhl und habe trotzdem ein schönes und selbstbestimmtes Leben geführt.

Irgendwann wird es zu Ende gehen. Aber wie? Ich möchte nicht als Pflegefall enden, der von anderen gewaschen, frisiert und abgeputzt wird. Ich möchte mir nicht den Nahrungsersatz mit Kanülen oben einfüllen und die Exkremente mit Gummihandschuhen unten wieder herausholen lassen. Ich möchte nicht vertrotteln und als freundlicher oder bösartiger Idiot vor mich hindämmern. Und ich möchte ganz allein entscheiden, wann es so weit ist und ich nicht mehr will, ohne Bevormundung durch einen Bischof, Ärztepräsidenten oder Bundestagsabgeordneten.“

Brittany Maynard ist tot
Es war ein öffentlicher Countdown bis zum Tod, jetzt hat Brittany Maynard ihren Plan umgesetzt. Am Wochenende nahm sie ihre tödlichen Medikamente.

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Sterbehilfe und Selbstbestimmung   Leave a comment

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Vor allem von Seiten der Hospiz-Bewegung und der Palliativ-Medizin wird immer wieder ins Feld geführt, wenn es gelingt dem Mensch die Schmerzen zu nehmen würde auch der Wunsch nach einem selbstbestimmten Tod verschwinden. Ich bezweifle ob es immer gelingt die Schmerzen zu nehmen, aber lassen wir das mal dahingestellt sein. Egal aus welchem Grund muss ein Mensch das Recht haben haben sein Leben selbstbestimmt zu beenden. Und wenn es aus Lebenssattheit wäre. Mein Leben und mein Tod gehört mir. Kein Arzt, kein Pfaffe und kein Politiker hat das Recht mir ein würdevolles Sterben zu verwehren. Vor allem den Kirchen passt die Selbstbestimmung der Menschen nicht. Ihr Gewicht ist in der Diskussion um Sterbehilfe viel zu groß und man weiß dass sie fix auf einem Punkt beharren.
Der Hinweis auf einen möglichen Missbrauch ist an den Haaren herbeigezogen und dieser Hinweis kommt wie das Amen im Gebet. Alles im Leben kann man missbrauchen, auch ein Küchenmesser.

Im ersten Artikel unseres Grundgesetzes ist zu lesen:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Wenn ich einem kranken Menschen, der in Schmerzen und seinen eigenen Verfall hilflos beobachtend das Recht verwehre, aus freier Entscheidung aus dem Leben zu treten, wird genau diese Würde NICHT mehr respektiert. Wir nehmen uns das Recht heraus, Tiere zu euthanasieren, die uns über ihren Zustand keine Auskuft geben können, verwehren diesen Weg aber Menschen, die uns Ihren Wunsch klar kommunizieren können? Ich finde das für unsere moderne Gesellschaft leider ziemlich rückschrittlich und hoffe, dass wir dieses Manko bald überwunden haben.

Das Todeserlebnis seiner Frau hat Udo Reiter veranlasst, sich eingehender mit der Problematik des Sterbens zu befassen.

Aus der „ZEIT“:

Autobiografie Udo Reiter – Meine letzte Freiheit

Udo Reiter führte bislang ein selbstbestimmtes Leben: Als Top-Manager, als Querschnittsgelähmter. In seiner Autobiografie fordert er sein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben ein. Daraus ein Auszug von Udo Reiter.

Kurz bevor ich mich vom MDR zurückzog, starb meine Frau. Ich habe das erste Mal in meinem Leben Sterben aus der Nähe erlebt. Sie hatte seit einigen Jahren Krebs. Erst der Darm, später kam die Leber dazu, dann die Milz und schließlich die Lunge. Sie hat die tödliche Diagnose und die qualvollen Behandlungen, Operationen, Chemotherapien, mit einer bewundernswerten Haltung ertragen. (…)

Mich hat dieses Todeserlebnis veranlasst, mich eingehender mit der Problematik des Sterbens zu befassen. (…) Woher nehmen Politiker, Kleriker und Medizinfunktionäre das Recht, über meinen Tod zu entscheiden? Das Recht auf Selbstbestimmung ist die Grundlage unserer Verfassung. Für alle Lebensbereiche wird es eingefordert. Nur das Recht auf den eigenen Tod will man uns nicht einräumen. Hier wird theologisch argumentiert und psychiatrisch, hier werden alle möglichen medizinischen und juristischen Gesichtspunkte bemüht, die mein Selbstbestimmungsrecht in diesem speziellen Fall angeblich außer Kraft setzen. Als Gunter Sachs seinem langen und schönen Leben im hohen Alter aus Angst vor drohender Debilität mit einem Schuss ein Ende setzte, erklärte irgendein aufgeblasener Psychiatrieprofessor im Fernsehen, dass Sachs wegen einer offensichtlichen depressiven Verstimmung nicht mehr im Stande gewesen sei, eine selbstständige Entscheidung zu treffen, und man ihn vor sich selbst hätte in Schutz nehmen müssen. Das hat mich empört.

Selbst wenn ich eine Depression habe, es ist meine, und sie geht den Professor gar nichts an. Es kann nicht sein, dass andere bestimmen dürfen, wann wir über uns entscheiden können und wann nicht. Das ist das Ende der Idee der Selbstbestimmung, der Anfang des totalitären Betreuungsstaats. Und wenn es eine »Fehlentscheidung« ist, die ich treffe, dann ist es meine Fehlentscheidung. Es ist die Konsequenz der Freiheit, auch Fehlentscheidungen treffen zu können. Und es gehört zu einer freien Gesellschaft, sein Lebensende selbst festsetzen zu können.

Ich habe trotz Rollstuhl ein schönes und selbstbestimmtes Leben geführt.

Ich möchte nicht als Pflegefall enden, der von anderen gewaschen, frisiert und abgeputzt wird. Ich möchte mir nicht den Nahrungsersatz mit Kanülen oben einfüllen und die Exkremente mit Gummihandschuhen unten wieder herausholen lassen. Ich möchte nicht allmählich vertrotteln und als freundlicher oder bösartiger Idiot vor mich hin dämmern. Und ich möchte ganz allein entscheiden, wann es so weit ist und ich nicht mehr will.

Ohne Bevormundung durch einen Kardinal, einen Ärztepräsidenten oder einen Bundestagsabgeordneten. Und wenn ich das entschieden habe, möchte ich mich ungern vor einen Zug rollen oder mir, wie das verschiedentlich empfohlen wird, eine Plastiktüte über den Kopf ziehen und mit einem Klebeband eng um den Hals befestigen, bis mir der Sauerstoff ausgeht und ich am Kohlenstoffdioxid ersticke. Ich möchte auch nicht in die Schweiz fahren und mich dort auf einem Parkplatz oder in einem Hotelzimmer von Mitarbeitern der Sterbehilfe Exit einschläfern lassen.

Ich möchte bei mir zu Hause, wo ich gelebt habe und glücklich war, einen Cocktail einnehmen, der gut schmeckt und mich dann sanft einschlafen lässt. Dieses Recht auf einen selbstbestimmten Tod ist das Gegenstück zum Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Ich finde es unerträglich, dass eine Allianz aus Politik, Kirche und Ärzteschaft uns dieses Recht immer noch vorenthalten will.

Wir sollten uns das nicht gefallen lassen. Wir sollten den Cocktail einfordern als letzte Leistung unserer Krankenkasse. Der Hinweis auf einen möglichen Missbrauch ist lächerlich. Alles im Leben kann man missbrauchen, auch ein Küchenmesser, und der mögliche Missbrauch einer Sache ist nie ein Argument gegen die Sache selbst. Ob es neben den ethischen Einwänden gegen die aktive Sterbehilfe auch ökonomische Interessenlagen gibt, die einer Cocktaillösung im Weg stehen, weiß ich nicht.

Wenn man sieht, welche horrenden Rechnungen gerade in den letzten Monaten eines verlöschenden Lebens von Ärzten und Pharmaindustrie ausgestellt werden, könnte einem der Verdacht kommen.

Um es klar zu sagen: Ich freue mich meines Lebens und möchte, solange es irgend geht, dabei sein. Aber wenn es nicht mehr geht, möchte ich nicht in einer Weise abtreten, die ich quälend finde und die meiner bisherigen Lebensweise unwürdig ist.

http://www.zeit.de/2013/07/Udo-Reiter-Autobiografie-Buchauszug

 

Gruß Hubert

 

Nikolaus Schneider (EKD) und die Sterbehilfe   Leave a comment

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Die christlichen Kirchen haben ja das „Argument“, dass das Leben ein Gottesgeschenk wäre. Ein Geschenk geht immer in die Verfügungsmacht des Beschenkten über und er nach seinem Gutdünken damit umgehen kann. Was heißt da Gottesgeschenk? Es gibt ledige Mütter, die zuerst mal nicht so erfreut sind über dieses Geschenk. Was ist mit Frauen, die keine Kinder bekommen können, egal durch wessen „Schuld“. Mag die Gott nicht? Man könnte da noch lange Beispiele aufzählen. Es ist ja klar, dass die Kirchen nicht mehr von einer Ideologie abrücken können, wenn sie sich festgelegt haben.
Nikolaus Schneider ist ein ein hoher Vertreter einer Institution, die sich deutlich gegen diese Form von Sterbehilfe ausspricht. Bei seiner Frau möchte er wohl eine Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen. Und was ist mit den anderen?

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) Nikolaus Schneider hat durch seine spektakulären Äußerungen in einem Stern- und einem ZEIT-Interview der Sterbehilfe-Debatte neue Impulse verliehen. Schneider sagte darin, dass er bereit sei, seine Frau Anne zur Sterbehilfe in die Schweiz zu begleiten, wenn sie dies wünsche.

Anne Schneider ist schwer an Brustkrebs erkrankt, im Juni dieses Jahres wurde festgestellt, dass vom Krebs bereits das Lymphsystem ihres Körpers befallen ist. Ihr Mann hat kurz danach seinen Rücktritt vom Ratsvorsitz der EKD für den Herbst dieses Jahres angekündigt, um sich ganz seiner Frau widmen zu können. Eine Tochter war 2005 an einer Leukämie-Erkrankung gestorben.

Nikolaus Schneider hat jetzt darauf verwiesen, dass er seine Frau auch gegen die eigene Überzeugung aus Liebe unterstützen werde.

Respekt, Herr Schneider; diese Entscheidung verdient höchste Anerkennung!

Nur: die Unterstützung eines Menschen, der Assistenz beim Suizid wünscht, darf nicht nur in diesem einen Falle gelten. Generell muss jedem Menschen eine kompetente und ergebnisoffene Beratung sowie das Aufzeigen von Alternativen und tatsächlichen Hilfsangeboten zustehen.

Und letztlich muss die Entscheidung eines verständigen und informierten Menschen, die dieser nach reiflicher Abwägung getroffenen hat, von allen akzeptiert werden. Das muss ohne jeden Einschränkung auch in Deutschland gelten, denn eine Reise in die Schweiz kann sich nicht jede(r) leisten und ein Zwang zum “Sterbetourismus” ist menschenunwürdig.

Hinzu kommt: Nicht die Auffassung eines Angehörigen ist maßgeblich, sondern die Auffassung des betroffenen Menschen, der für sich ein selbstbestimmtes und menschenwürdiges Ende seiner Existenz wünscht und einfordert. Das allein kann und darf der Maßstab sein.

Eine Reise in die Schweiz, um dort zu sterben, bedeutet immer zugleich auch, ärztliche Hilfe zum Sterben in Anspruch zu nehmen. Das wird von der katholischen Kirche schlechthin und von den evangelischen Kirchen weithin abgelehnt. Schneiders Vorvorgänger im EKD-Amt, Wolfgang Huber, hat bereits vor zehn Jahren Sterbehilfe eindeutig abgelehnt und unmissverständlich betont, dass der Mensch Leben und Sterben aus Gottes Hand empfange und sich deshalb nicht zum Richter über das Leben machen dürfe. Huber sprach sich auch gegen eine ärztliche Mitwirkung beim Suizid aus. Eine Änderung dieser zynischen und das Leid und den Schmerz Schwersterkrankter ignorierenden Haltung ist nicht bekanntgeworden.

Die Auffassung Hubers wurde in diesem Jahr vom Kirchenpräsidenten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, bekräftigt. Seine Ideologie: das Leben sei ein für den betreffenden Menschen unverfügbares Geschenk (Gottes). Sterbehilfe für schwerst erkrankte Menschen lehnte Jung deshalb ab. Lediglich “unnötiges Leiden” sei durch Palliativmedizin zu lindern. Mehr aber auch nicht.

Huber und Jung repräsentieren die Auffassung der offiziellen Kirche – eine Auffassung, die auf einen Leidensweg und das Durchleben des Leidens orientiert. Man darf sich schon fragen, was das eigentlich für Menschen sind, die aufgrund eines ideologischen Konstrukts andere leiden lassen wollen – selbst gegen deren Willen. Auch hierüber sollte einmal die Debatte geführt werden.

Nicht übersehen werden sollte, dass es auch die “andere Kirche” gibt, wie aus Umfragen bekannt ist, und diese andere Kirche (die Mehrheit der Kirchenmitglieder) lehnt die Glorifizierung des Leidens strikt ab und spricht sich für Sterbehilfe aus. Der evangelische Sozialethiker Hartmut Kreß etwa fordert die Achtung der Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte der Betroffenen und lehnt Regelungen ab, die ihnen nur noch den Weg in die Schweiz offenlassen.

Zu dem “Argument” des Gottesgeschenkes weist Kreß darauf hin, dass bekanntlich ein Geschenk immer in die Verfügungsmacht des Beschenkten übergeht und er nach seinem eigenen Gutdünken damit umgehen kann.

Doch für derartige Überlegungen sind die Befürworter des Leidensweges nicht offen – denn dann müssten sie ihren ideologischen Bankrott einräumen.
So werden sie wohl damit weitermachen und weiterhin verlangen, dass sich Menschen quälen müssen und kein menschenwürdiges Sterben erleben dürfen. Dies wird Leute wie Huber und Jung nicht einmal stören; verkündigen ihresgleichen doch regelmäßig, im Besitz einer höheren wenn nicht sogar der einzigen Moral zu sein.

Die Gesellschaft aber sollte diesen Leuten ihr Geschäft nicht durchgehen lassen: sie sind nicht die Kirche(n), sondern nur noch eine Minderheit in den Kirchen. Und: wenn Kirchen zum Gespräch über Sterbehilfe oder auch über andere Themen geladen werden, dann muss auch die kirchliche Mehrheit gehört werden.

Anne Schneider, die Theologie studiert und als Religionspädagogin gearbeitet hat, vertritt keine Leidenstheologie. Sie sagt, dass für sie zur Gottesebenbildlichkeit des Menschen eine Gestaltungsfreiheit vom Anfang bis zum Ende dazugehöre und dass es Teil der Verantwortung des Menschen sei, sich eines Tages zu entscheiden, das ihm von Gott geschenkte Leben dankbar an ihn zurückzugeben. Sie hält deshalb auch organisierte Sterbehilfe und ärztlich assistierten Suizid für legitim. Auch eine oder sogar die christliche Haltung?

Von Walter Otte

http://nicsbloghaus.org/2014/07/18/nikolaus-schneider-sterbehilfe/

Gruß Hubert

Sterbehilfe – Themenreihe ARD   Leave a comment

Anläßlich einer Sendung über Sterbehilfe im Abendprogramm der ARD vom 19.11.2012 war auch Bruder Paulus (OFMCap sprich Kapuzinerpater) eingeladen und brachte die Argumente der Kirche vor, die ja sattsam bekannt sind.
Auf seiner Internetseite bruderpaulus.de bringt er einige Argumente. Ich bin immer entsetzt über die Härte und Unbarmherzigkeit der Kirchenvertreter, bei der es kein noch so grausames und schmerzvolles Leiden bzw. vom Sterbenswilligen nicht mehr gewolltes Leben aufgrund von nicht mehr vorhandener Lebensqualität gibt, um das Einverständnis für eine Sterbehilfe zu geben. Bruder Paulus schwafelte gestern von sozialen Netzen, von Bekannten, Freunden, Arbeitskollegen…, die dem Sterbenswilligen den Todeswunsch nehmen würden. Ein Fallbeispiel in der Sendung zeigte, dass ein Mann, der bis zum Hals gelähmt war, ein ganz vorbildliches Netz hatte, mit bewundernswertern Eltern, Freunden usw. Trotzdem war sein Wunsch nach dem Tod ganz klar und eindeutig. Wer hätte das Recht ihm diesen Wunsch zu verweigern?

Was heißt denn den Todeswunsch lindern? Wenn jemand selbstbestimmt sagt, sein Leben sei nicht mehr lebenswert, so muss er dieses Recht haben aus dem Leben zu scheiden. Wenn er/sie das nicht mehr selbst tun kann, so ist es eine Freundestat, wenn es jemand tut, den er/sie darum bittet. Es kann niemand zum Sterben gezwungen werden aber auch nicht zum Leben. Sollen andere über einen bestimmen können? Die Mehrheit der Menschen heute wünscht sich das Leiden verkürzen zu können, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Das wird auch die Kirche zur Kenntnis nehmen müssen (wie sie eben auch anderes schon zur Kenntnis nehmen musste).

Bruder Paulus geht hier bewußt massiv in Emotionen rein, wenn er beim Sterbehelfer Christian Arnold den Vergleich bringt von Tötungszangen, wie sie in Metzgereien gebraucht werden (nebenbei gesagt bei Tieren ist der Kirche ja jegliches Leid vollkommen egal, Tiere sind ja nur Ressourcen für den Menschen). Aber das in billige Emotionen reingehen ist ja typisch für Kirchenvertreter – man kennt das ja auch von der Abtreibung. Eine Frau die abtreibt ist eine Mörderin…

Was Br. Paulus auf seiner Seite schreibt ist billigste Propaganda, in der er mit unzutreffenden Emotionen arbeitet. Beim letzten Segen hätte ja gerne die Kirche das Monopol (und bei der Taufe natürlich auch).

 

Hier Bruder Paulus Meinung auf seiner Homepage.

Zum Sterben schön: Wenn der letzte Segen vom Arzt kommt

Es kommt der Tötungshelfer Uwe Christian Arnold nicht mit dem Messer, nicht mit dem Revolver und nicht mit einer Tötungszange, wie sie in Metzgereien gebraucht wird. Nur ein kleines Gefäß hat er dabei. Es enthält die tödliche Gabe.

Segneten früher die Kirchen Waffen, wofür sie zumeist zurecht gescholten werden, verbreitet nun der Arzt-Priester die Aura, hier geschehe etwas zutiefst Natürliches.

(Anmerkung: das fiel mir gerade ein, die Kirche als Lebensschützer und Waffensegner in Personalunion. Br. Paulus sagt FRÜHER – ich bin mir gar nicht sicher, ob sie sie nicht auch in Zukunft wieder Waffen segnen würden, mir ist nicht bekannt, dass sich die Kirche(n) zum Pazifismus bekennen würden).

Er lindert nicht den Todeswunsch, sondern hilft, das zerstört wird, was Freiheit ermöglicht: Leben. Leben, das sich den Lebenden entziehen will.

Das quasi-heilige Gefäß mit der giftigen Mischung, überreicht vom Freund des Lebens, dem Arzt. Da wird auf Lossprechung gehofft: Wenn es der Arzt ist, und wenn es Gift ist: Dann ist es recht. (Was werden nur jene sagen, die nun aus diesem Körper keine Organe empfangen können?)

Als sei der Sterbewillige doch noch unsicher, wünscht er sich den Halt quasi-religiöser Freisprechung: Es war ein Halbgott in Weiß, der mir den Trunk reichte.

Ein Arzt, der solches tut, ist am Ende seiner Kunst.

http://www.bruderpaulus.de/ (statt von der Kirche…)

 

Gruß Hubert