Faschismus: Ein Zensurversuch wühlt Italien auf   Leave a comment

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Wer sich dagegen sträubt sich vom Faschismus zu distanzieren ist selbst ein Faschist oder sympathisiert zumindest im hohen Maß dafür.

Diese verdammten Faschisten! Mit denen ist reden unsinnig, die kann man nur bekämpfen!

Von https://www.msn.com/de-de/

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Italiens Premierministerin Giorgia Meloni ist Gegenstand einer kritischen Rede, die sie selbst inzwischen auch auf keinen Fall zensieren will.© Kenzo Tribouillard/AFP

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Wenige Tage vor dem Feiertag zur Befreiung hat Italien einen Medienskandal: Eine kritische Rede gegen Ministerpräsidentin Meloni wurde verhindert – und entfaltet jetzt erst recht Wirkung.

Ein Zensurversuch wühlt Italien auf

Antonio Scurati, 54, aus Mailand, ist nicht nur ein sehr bekannter und viel gelesener Schriftsteller in Italien, er ist auch die beste Adresse, wenn man den Faschismus verstehen will und warum seine Aufarbeitung heute noch so schwerfällt. Unter Scuratis 20 Büchern ragt die vierbändige Mammut-Biografie über Mussolini heraus, von der bislang drei Bände veröffentlicht sind. Für Band eins, „Mussolini. Il figlio del secolo“, gewann der Schriftsteller den bedeutenden Literaturpreis Strega, er war 2018/19 eines der meistverkauften Bücher, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und inspirierte eine Fernsehserie bei Sky mit Luca Marinelli in der Hauptrolle.

Scuratis jüngstes Buch ist dem Verhältnis von Faschismus und Populismus gewidmet und Mussolinis Bedeutung heute. Damit ist es wie geschaffen als Ausgangspunkt für einen Vorgang vom Wochenende, der über Nacht ein veritabler Medienskandal geworden ist und das politische Italien aufwühlt – keinesfalls zufällig wenige Tage vor dem Nationalfeiertag zur Befreiung Italiens am 25. April. Regelmäßig zu diesem Datum kämpft das Land um die Meinungshoheit, von wem Italien vor 79 Jahren befreit worden ist: Ist es nur die deutschen Nazi-Besatzer losgeworden? Oder wurde es eben auch vom selbst gemachten Faschismus befreit- und was lernt man daraus für heute?

Der Faschismus ist wegen der Fratelli d’Italia ein besonders wichtiges Thema

Das ist besonders ein Thema, seit in Rom eine Koalition regiert, die von den Fratelli d’Italia angeführt wird. Die Partei hat sich im extrem rechten Milieu entwickelt, in ihr verhehlen immer noch viele, auch führende Parteimitglieder ihre Sympathien für Mussolini kaum.

Partei- und Regierungschef Giorgia Meloni hält sich seit ihrer Wahl aus dieser Debatte fast vollständig heraus. Sie steht aber deshalb bei ihren Kritikern erst recht unter dem Verdacht, dass sie im Geiste immer noch Postfaschistin sei und das nur klug zu verbergen wisse.

In diesem Sinne hatte Autor Antonio Scurati eine Rede geschrieben, die er am Samstagabend in der Sendung „Chesarà“ (Was wird sein) von Rai 3 vortragen sollte. In der öffentlich-rechtlichen Rai sind allerdings viele Führungsposten mittlerweile mit Sympathisanten der rechten Regierung besetzt, weshalb auch schon vom „Meloni-TV“ die Rede ist. Kurzfristig wurde der Scurati-Auftritt aus dem Programm gekippt. Moderatorin Serena Bortone ließ sich jedoch nicht beirren und trug Scuratis Text selbst vor.

Künstler und Politiker im ganzen Land greifen den Text auf – sogar Meloni veröffentlicht ihn

Darin wird an die Ermordung des Sozialistenführers Giacomo Matteotti durch Faschisten und an andere Verbrechen von Mussolini und seinen Gesinnungsgenossen erinnert. Scurati wirft Meloni vor, sie habe sich zwar von solchen Verbrechen, aber nie ausdrücklich vom Faschismus als Ideologie distanziert, die Rechte versuche die Geschichte umzuschreiben.

In dieser Hinsicht bringt der Text nichts Neues, ist aber auf den Punkt formuliert – und wird gerade berühmt. Bekannte italienische Künstler haben ihn mittlerweile fürs Internet nachgesprochen, Bürgermeister im ganzen Land haben angekündigt, ihn am 25. April öffentlich vortragen zu lassen.

Die Debatte hat eine solche Kraft entfaltet, dass Meloni selbst sich äußerte, was sie normalerweise demonstrativ nicht tut. Zensur sei so ziemlich das Letzte, was ihr in den Sinn komme, schließlich sei sie selbst in ihrem Leben ständig zensiert worden, schrieb sie auf Facebook, und zum Beweis hängte sie die heiß diskutierte, nicht gehaltene Rede im Wortlaut an.

Zuletzt hatte Meloni eher Schlagzeilen gemacht, weil sie ihre Kritiker notfalls sogar bis vor Gericht verfolgt. Einige Künstler und Schriftsteller sind wegen Beleidigung der Regierungschefin bereits zu Geldstrafen verurteilt worden oder haben Sendeplätze im Fernsehen verloren, darunter der bekannte Anti-Mafia-Autor Roberto Saviano. In Bari läuft ein Prozess gegen den emeritierten Alt-Philologen und Kommunisten Luciano Canfora, 81, der Meloni noch zu deren Oppositionszeit als „Neonazi im Herzen“ bezeichnet hatte, was diese bis heute nicht zu tolerieren bereit ist.

„Wer sich als Antifa bezeichnet, zieht durch Europa und verprügelt Menschen.“

Die Debatte geht also weiter, jetzt erst recht, und Melonis Lager trägt maßgeblich dazu bei. Gerade hat sich ihr Schwager und engster Vertrauter, Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, in einem Interview kritisch mit dem Antifaschismus auseinandergesetzt.

Der werde zwar von vielen als Bestandteil der italienischen Verfassung gerühmt, der Begriff sei aber „zu allgemein und repräsentiere nicht alle“. Erst recht gelte das für die „Antifa“-Bewegung: „Wer sich als Antifa bezeichnet, zieht durch Europa und verprügelt Menschen.“

Das war ein unverhohlener Angriff auf die italienische Lehrerin und Antifa-Aktivistin Ilaria Salis, die unter fragwürdiger Anklage wegen einer Demonstration unter entwürdigenden Haftbedingungen in Ungarn vor Gericht steht, was in Italien die Gemüter erhitzt. Salis ist jetzt von den italienischen Grünen demonstrativ als Kandidatin für die Europawahl aufgestellt worden.

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Faschismus: Ein Zensurversuch wühlt Italien auf

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