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Ein System von Schwarzgeldverschiebung zu behaupten, kann also als Teil eines paranoiden Gedankensystems gedeutet werden, wenn der Betreffende unkorrigierbar an der Wahrheit festhält. Dass es dieses System der Schwarzgeldverschiebung gegeben hat, weiß man nicht erst seit dem Sonderrevisionsbericht der Hypovereinsbank.“

Als ob nicht jeder wüsste, dass es Schwarzgelverschiebungen gubt. Es gibt ja auch einigermaßen genaue Schätzungen wieviel Millionen Euro zum Beispiel es in der Schweiz, in Luxemburg usw. gibt. Bei Mollath war die „Behauptung“ von Schwarzgeldverschiebungen, die er ja auch ziemlich genau belegte, Wahn. Man studierte seine Belege nicht mal und baute sie auch nicht als Entlastung für Mollath ein. Man erinnert sich auch an den Verkauf von Steuer-CDs aus der Schweiz (NRW…). Musste ein lästiger Störer zerstört werden? Wen wollte man decken, wen schützen? Gab es etwa auch Schwarzgeldverschiebungen in Kreisen von Justiz und Psychiatrie. Jedenfalls hat man „prächtig“ zusammengearbeitet.

Der Fall Mollath – Wer stört, wird zerstört

Verschwörungstheorien und Paranoia

„Wenn Sie so weitermachen, kommen Sie nie wieder heraus“, offenbarte der Vorsitzende Richter, laut Nürnberger Nachrichten, bei der Urteilsverkündung am 8. August 2006 nach der Verhandlung gegen Gustl Mollath. Als Richter Otto Brixner diese Worte sprach, hatte er längst das Urteil gegen Mollath im Gerichtssaal verkündet: Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Was muss alles geschehen, damit ein Richter solch eine Drohung ausspricht? Und welche Tat bringt einen bis dahin unbescholtenen Bürger für möglicherweise immer in die forensische Psychiatrie?

Es waren nicht allein die Mollath vermeintlich nachgewiesenen Taten, die dazu führten, dass er seiner Freiheit beraubt wurde. Diese hätten wohl nur eine Verurteilung zur Bewährung nach sich gezogen.

Es war vor allem ein Zusammenspiel von Justiz und Psychiatrie, das in dem skandalösen Urteil mündete. Denn mit der Diagnose einer wahnhaften Störung war ein Mechanismus in Gang gesetzt, den man ansonsten nur aus verschiedenen Werken und Erzählungen Kafkas kennt.

Nun ist es äußerst unwahrscheinlich, dass die einfache Behauptung, jemand habe einen Wahn, ausreicht, um mehrere Richter, Staatsanwälte, Psychiater und zahlreiche weitere involvierte Personen zu überzeugen, dass der Beschuldigte auch wirklich eine ver-rückte Wahrnehmung hat. In der Regel erkennt das schließlich jeder Mensch aufgrund der Alltagserfahrungen und der allgemeinen Menschenkenntnis ganz gut, ob jemand „irre“ ist oder nicht. Was muss man im Deutschland der 2000er und 2010er Jahre von sich geben, damit mehrheitsfähig behauptet werden kann, derjenige sei doch ein Spinner?

Laut Urteil „war der Angeklagte schließlich überzeugt, dass seine Ehefrau, die seit 1990 bei der Hypovereinsbank arbeitete, bei einem ‚riesigen‘ Schwarzgeschäft von Geldverschiebungen in die Schweiz beteiligt sei“. Diese ständigen Behauptungen Mollaths, seine wiederholten Anzeigen, sein unermüdliches Beharren auf Gerechtigkeit und sein uneinsichtiges Bestehen auf der Wahrheit setzten mehrere Abwehrmechanismen in Gang. Sowohl psychische als auch soziale, institutionell-strukturelle Abwehrprozesse.

Wer wirre Behauptungen aufstellt, die auch noch auf die Grundfesten des Rechtsstaates abzielen, und wer darüber hinaus von den Erwartungen der dem Bürgertum zugedachten Normalität abweicht, der muss offensichtlich auf seinen Geisteszustand hin überprüft werden. Und so wird gerichtsfest,

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dass der Angeklagte in mehreren Bereichen ein paranoides Gedankensystem entwickelt habe. Hier sei einerseits der Bereich der ‚Schwarzgeldverschiebung‘ zu nennen, in dem der Angeklagte unkorrigierbar der Überzeugung sei, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, diese selbst und nunmehr auch beliebige weitere Personen, die sich gegen ihn stellten, z.B. auch Dr. Wörthmüller, der Leiter der Forensik am Europakanal, in der der Angeklagte zunächst zur Begutachtung untergebracht war, in dieses komplexe System der Schwarzgeldverschiebung verwickelt wären.

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Ein System von Schwarzgeldverschiebung zu behaupten, kann also als Teil eines paranoiden Gedankensystems gedeutet werden, wenn der Betreffende unkorrigierbar an der Wahrheit festhält. Dass es dieses System der Schwarzgeldverschiebung gegeben hat, weiß man nicht erst seit dem Sonderrevisionsbericht der Hypovereinsbank. Hierdurch wird nur festgehalten, dass die ehemalige Ehefrau von Mollath und ihre Kollegen in genau solch ein System involviert waren – genauso, wie es Mollath behauptet hatte und wie es ihm als wahnhaftes Gedankensystem ausgelegt wurde.

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Der Text von Sascha Pommrenke ist ein gekürzter Auszug aus dem Buch „Staatsversagen auf höchster Ebene. Was sich nach dem Fall Mollath ändern muss“ (208 Seiten, 12,99 Euro) und wurde mit freundlicher Genehmigung des Westend Verlags hier veröffentlicht. Herausgeber sind Sascha Pommrenke und der Telepolis-Autor Marcus Klöckner, der für Telepolis den Fall Mollath verfolgt hat.


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Die Autoren, Experten aus Justiz, Psychiatrie, Politik, Medizin und Medien, nehmen sich der Affäre Mollath an, denken aber über den Einzelfall hinaus und verdeutlichen: Die Missstände in Justiz und Psychiatrie sind groß. Kann es wirklich jedem passieren, plötzlich weggesperrt zu werden?