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Rebloggt von Tierfreund und Religionskritiker Wolfgang – wolodja51.wordpress.com
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Vernunft und Glaube – Staat, Macht und Kirche
„Wißt also, meine lieben Freunde, wißt, dass all dies, was in der Welt als Gottesdienst und Andacht feilgeboten und praktiziert wird, nichts als Irrtum, Täuschung, Einbildung und Betrug ist; alle Gesetze, alle Vorschriften, die im Namen und mit der Autorität Gottes und der Götter erlassen werden, sind in Wahrheit nichts als menschliche Erfindungen, nicht weniger als all diese schönen Schauspiele der Festlichkeiten und Meßopfer oder Gottesdienste und all diese anderen abergläubischen Verrichtungen, die von Religion und Frömmigkeit den Göttern zu Ehren vorgeschrieben sind; all diese Dinge da, sag ich euch, sind nur menschliche Erfindungen, von schlauen und durchtriebenen Politikern erfunden, dann von lügnerischen Verführern und Betrügern gepflegt und vermehrt, schließlich von den Unwissenden blind übernommen und dann endlich aufrecht erhalten und gutgeheißen durch die Gesetze der Fürsten und Großen dieser Erde, die sich solch menschlicher Erfindungen bedient haben, um das Volk dadurch leichter in Zaum zu halten und mit ihnen zu machen, was sie wollten. Aber im Grunde sind all diese Erfindungen nichts als Kälberhalfter, wie Montaigne sagte, denn sie dienen nur dazu, den Geist der unwissenden und einfachen Gemüter zu zügeln.“
(Das Testament des Abbe Meslier, herausgegeben von Günther Mensching, Suhrkamp Verlag 1976)
Das Testament des Abbé Meslier (1684 – 1729, Priester in Etrépigny) ist die schärfste Kritik des christlichen Glaubens mit materialistischen Argumenten, äusserst fundiert formuliert und ein frühes Dokument radikaler Thesen des aufklärerischen Materialismus. Im 20. Jahrhundert formuliert Johann Most den vergleichbaren Gedankengang sarkastisch:
„Je mehr der Mensch an Religion hängt, desto mehr glaubt er. Je mehr er glaubt, desto weniger weiß er. Je weniger er weiß, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden! — Dieser Gedankengang war den Tyrannen aller Länder und Zeiten geläufig, daher standen sie auch stets mit den Pfaffen im Bunde.“
(Johann Most, Die Gottespest, edition libertaire, Luzern 1987)
Greift man die Geschichte der fälschlicherweise als monotheistisch bezeichneten Gotteswelt heraus, so genügt ein kurzer Abriss zur Charakteristik der gesamten Glaubensillusion. Fälschlich schon deshalb, weil im Tagesgeschäft der Kirchen der Götterhimmel des Monotheismus durch einen Hauptgott in ein – bis dreifaltiger Ausprägung und zahllosen himmlischen Hilfskräften wie Engel, Dämonen, Heilige, Selige, Propheten, Apostel und Teufel repräsentiert wird. In diesem Götterhimmel der Absurdität herrscht darüber hinaus eine strikte Arbeitsteilung, so dass nur theologisch gebildete Menschen, also Priester, die Pfade der himmlischen Hierarchie finden und kennen.
Ruhigen Gewissens kann und muss aber diese Gedankenwelt mit satirischem Unterton geschrieben werden, da ein Verstand – an logisches Denken gewöhnt – sich sonst der Verzweiflung und Resignation preisgeben würde.
Der Herr arbeitet mit langen Ruhepausen
„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ (Gen 1,1)
Mit diesen Worten beginnt das erste Buch Mose, beginnt das Alte Testament, Basiswerk des Judentums, des Christentums und partiell auch Grundlage des Islams. Was vor dem Anfang war, lassen wir an dieser Stelle dahingestellt. Ob Gott im Nichts schon vorhanden war, ob er sich also selber ex nihilo geschaffen hat oder von einem Obergott erzeugt wurde, für den sich dann aber ad infinitum die gleiche Fragestellung ergibt, ist unerheblich. War es ihm langweilig oder war er in der Zeit vor seiner Schaffenstätigkeit anderweitig beschäftigt oder war es gar schon der x-te Versuch, eine Welt zu erschaffen? Wir kennen seine Beweggründe nicht – ignoramus ignorabimus – und müssen sie auch nicht kennen; das desaströse Ergebnis genügt.
Glaubens„wahrheit“ – übrigens ein logisches Paradoxon – aber ist, dass Gott Himmel und Erde geschaffen hat. Da mit „Himmel“ offensichtlich das Weltall mit seinen Sternen und Galaxien gemeint ist und nach heutigem Forschungsstand der Beginn des Kosmos vor ca. 13,7 Milliarden Jahren lag, die Entstehung der Erde aber erst vor ca. 4,7 Milliarden begann, hatte der Herr somit eine Ruhepause von annähernd 9 Milliarden Jahren nötig, bis in ihm der Wunsch reifte, die Erde zu formen.
Nachdem dieses Erdenkügelchen, im Universum ein nahezu unauffindbarer Winzling am Rande einer unbedeutenden Galaxie, mehr oder weniger fertiggestellt war, kam dem Verursacher unserer „Weltreligionen“ der nächste Gedanke. Die Erde wurde mit Pflanzen und allerlei Getier ausgestattet, aber die „Krone der Schöpfung“, also das, was dem Ganzen die Krone aufsetzt, fehlte – nämlich der Mensch. Wiederum benötigte der Herr eine kreative Schaffenspause von mehr als 4 Milliarden Jahren, bis dann vor etwa 5 bis 8 Millionen Jahren sich in Afrika die Vorfahren der Schimpansen von der zum Menschen führenden Entwicklungslinie abtrennten.
Nun, da der Anfang des Desasters erst einmal gemacht war, wurde der Arbeitsrhythmus des Herrn schneller. Ungefähr in den Jahren 600 bis 1000 vor unserer Zeitrechnung wurde ein Mann namens Moses als Beglücker der Menschheit geboren. Moses ist die Zentralfigur des Pentateuch, d.h. der ersten fünf Bücher der Bibel. Nach der biblischen Überlieferung führte Moses als Gesandter Gottes das Volk der Israeliten auf einer vierzig Jahre dauernden Wanderung aus der Sklaverei in Ägypten in das kanaanäische Land.
Die Ruhepause des Herrn betrug bis zu dieser Aktion nur ca. 5 bis 8 Millionen Jahre, was eine gewisse Nachlässigkeit in der Arbeitsausführung beinhaltete, da bis heute weder die Existenz noch der Lebenszeitraum des Herrn Moses eindeutig nachgewiesen ist. Was aber eigenartigerweise eindeutig nachgewiesen ist, sind die Anweisungen, die Gott dieser vermutlich niemals existenten Person gegeben hat und die heute noch für eine Vielzahl gläubiger Menschen verbindlichen Charakter haben, für Menschen also, denen historische Präzision ein Greuel ist und Teufelswerk gleicht.
Um den Lapsus mit der Mosesfigur auszugleichen, wurde in aller Eile und mit nicht viel weniger historischer Nachlässigkeit einige hundert Jahre später eine Figur namens Jesus aus der Taufe des Johannes gehoben. Ein Gefolgsmann des Jesus mit Namen Saulus, später Paulus, der seinem Meister aber nie persönlich begegnet ist, erfand dann eine Religion namens Christentum.
Konstruiert wurde diese Religion um die Person Jesus herum, ausgeschmückt mit den Standardmärchen des klassischen Altertums wie Jungfrauengeburt, Wundertätigkeiten und Aufnahme in den Himmel. Als kleine Nebenbemerkung sei gestattet, dass beispielsweise eine Himmelfahrt in der Antike Standard war; Romulus und Caesar, als allseits bekannte Persönlichkeiten, wurden dieser Ehre gleichfalls zuteil und von zahlreichen Personen, bei Romulus beispielsweise von der gesamten Heeresversammlung, bezeugt.
Da aller guten Dinge drei sind, hat dann der Herr, um sicherzugehen, dass sich der Monotono–Theismus, wie Nietzsche formuliert, auch durchsetzt, Mohammed oder arabisch Muhammad (ca. 570 – 632) ca. 500 Jahre später nachgeschoben und gleichfalls mit wunderbaren Taten und Erkenntnissen ausgestattet, die dann zur Lehre des Islam mutierten.
Problematisch an dieser schnell aufeinander folgenden Schöpfungshektik von Religionsstiftern blieben die bis heute untereinander unverträglichen Anweisungen der drei Herren, die das moderne Leben so spannend und die Geschichte so bluttriefend machten und machen. Logische Häretiker müssen sich seitdem mit dem Gedanken herumquälen, welcher der drei Herren denn Recht habe, da die jeweiligen Anhänger die Wahrheit für ihren Meister reklamieren. Aber vielleicht, so denkt der Ketzer, hat gar keiner von ihnen Recht und alles ist Fiktion? Dieser Gedanke überfordert aber in der Regel die Kritikfähigkeit eines Gläubigen, bringt es doch Michael Bakunin präzise auf den Punkt:
„Ob es den Metaphysikern und religiösen Idealisten, Philosophen, Politikern und Dichtern gefällt oder nicht: Die Gottesidee enthält die Abdankung der menschlichen Vernunft und Gerechtigkeit an sich, sie ist die entschiedenste Verneinung der menschlichen Freiheit und führt notwendigerweise zur Versklavung der Menschen in Theorie und Praxis.“ (Michael Bakunin, Gott und der Staat, Karin Kramer Verlag Berlin, 1995)
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Über Glaubenswahn, Tierelend und Kirche – Teil 2