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Einige Einsichten in die menschliche Psyche von namhaften (oder auch berüchtigten) Persönlichkeiten.
Georg Christoph Lichtenberg sah tief in unsere Herzen hinein: „Wir fressen einander nicht, wir schlachten uns bloß.“
Und eine Gesellschaft, die selbst heute Schlachthäuser und Schlachtfelder verkraftet, braucht sich nicht um ihre Zukunft zu sorgen: Sie ist schlachtreif. Doch, nochmals, immer wieder: Was unser Zusammenleben ermöglicht, ist weder der Glaube noch die Vernunft, weder Macht noch Geld, nicht einmal die Dummheit. Was alles Menschliche bemäntelt und einfach unantastbar macht, ist „die Verbindung von grenzenloser Gleichgültigkeit und nicht minder grenzenloser Heuchelei“. Sie ist spezifisch für die menschliche Art. Ich denunziere nicht, doch bitte ich, den Satz des Laotse (viertes oder drittes Jahrhundert v.Chr.) zu beachten: Wahre Worte sind nicht angenehm, und angenehme Worte sind nicht wahr.
Erhellend auch was ein französischer Moralist aus dem 18. Jahrhundert, Antoine de Rivarols sagte:
„Die zivilisierten Völker sind für das Gift der Barbarei so anfällig wie das blanke Eisen für den Rost. Völker und Stahl, beide glänzen nur an der Oberfläche.“
Es besteht kein Grund zur Annahme, der Satz sei nur für die Vergangenheit gültig. Das blanke Gegenteil ist wahr: Er gilt für die Gegenwart und, nach allem, was bereits erahnt werden kann, auch für die Zukunft. Ich wundere mich, wie viele ansonsten ernstzunehmende Zeitgenossen sich darüber wundern, dass weder Krieg noch Folter außer Übung kamen. Waren sie der Meinung, Folter und Kriege ließen sich einfach für überholt erklären oder durch Dekret abschaffen? An Ächtungen fehlt es gewiss nicht; keine Regierung dieser Welt lässt eine aus zu betonen, wie fern ihr Krieg und Folterungen stehen. Die Zahlen und Fakten bezeugen unangefochten das Gegenteil.
Unsinn, von einem bloßen Wiederaufleben der Foter vor etwa hundert Jahren zu sprechen.
[…]
Wer, wenn nicht Regierung, Moral und Religion, sollte je von der Folter profitiert haben? Wer sonst könnte ein – theoretisch heftig bestrittenes – weiterbestehendes praktisches Interesse an einer Herrschaft von Menschen über Körper und Geist anderer Menschen haben.
Auch die Behandlung der jeweils anderen, kurz, der ungehorsamen, reuelosen Oppositionellen unterscheidet sich in religiösen und quasireligiösen Systemen von damals und heute nicht wesentlich.
Ein Erlass Heinrich Himmlers vom Juni 1942 ermächtigte zur Folter. Um dem Dekret einen Anschein gesetzlicher Form zu geben, wurde der Personenkreis umschrieben, gegen den „der dritte Grad“ angewandt werden konnte und musste. Wiederum findet sich die uralte Definition der anderen, der Ehrlosen, der als zweitrangig betrachteten und damit folterwürdigen Menschen. Wiederum werden die hergebrachten und in Theorie wie Praxis der christlichen Kirche jahrhundertelang erprobten Standards der Abwertung von Menschen verwandt: Bei Himmler sind es „Kommunisten, Marxisten, Zeugen Jehovas, Saboteure, Terroristen, Angehörige von Widerstandsbewegungen, asoziale Elemente, widersetzliche Elemente, polnische und russische Vagabunden“. Erlasse der Kirche hatten, Ketzer, Heiden, Juden, Hexen, Abgefallene, Feinde der Kirche und des Papstes angesprochen und zur Folterung freigegeben. Es dürfte schwerfallen, grundsätzliche Unterschiede in Begründung und Durchführung solcher Dekrete auszumachen.
Offenbar bemerkten die Nationalsozialisten die auffälligen Parallelen. Anlässlich eines Empfangs im Jahre 1933 sagte Adolf Hitler zu Wilhelm Berning, dem Preußischen Staatsrat und Bischof von Osnabrück:
„Die katholische Kirche hat fünfzehnhundert Jahre die Juden als Schädlinge angesehen, sie ins Getto gewiesen usw., da hat man erkannt, was die Juden sind …“ Und: “Ich gehe zurück auf die Zeit, was man fünfzehnhundert Jahre getan hat.“
Berning, der seine Briefe „Mit deutschem Gruß und Hitler Heil!“ unterschrieb, widersprach nicht, nannte das Gespräch herzlich und sachlich.
Stahl? Ein maskulines (bearbeitetes) Metall, kein Neutrum wie Erz, Silber, Gold. Bestimmte Assoziationen drängen sich auf: Mord, Folter, Gewalt – und glatt-grausame Kühle. Das Verb stählen (sich wappnen, bewaffnen, steifen, härten, festigen) passt; auch das Adjektiv stählern (eisern, ehern, ungebeugt, mannhaft, herzlos, eisig, nicht zu erweichen, scharf) liegt nicht fern. (Hart wie Krupp-Stahl fällt mir in diesem Zusammenhang auch noch ein).
Entnommen aus dem Buch Sex und Folter in der Kirche – 2000 Jahre Folter im Namen Gottes des renommierten Religionsoziologen Horst Herrmann, S. 56 und ff.
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Da es unter Tieren keine folternden Exemplare gibt, sollten die Menschen, wollen sie konsequent und prägnant reden, endlich alle liebgewonnenen Vokabeln meiden und weder Folter noch Folterer tierisch, animalisch, bestialisch nennen. Von bestialischen Torturen oder Qualen zu sprechen oder handelnde Personen als entmenschlicht (im Sinne von tierisch) zu bezeichnen ist ebenso unrichtig, wie „beten“ oder „kochen“ tierisch zu heißen. So zugerichtet ist die Sprache von Menschen.
S. 36-37.
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Die Folter ist menschen-spezifisch. Sie ist eine „Errungenschaft“ der Kronen-Schöpfung.
Die Kunst der Liebe ist nichts weiter als ein Dutzend Stellungen und ein paar Dutzend Raffinessen, aber die Folter hat tausend Varianten.
Petru Dumitriu
Ich lasse einen jeden nach seiner Natur leben, und wer will, mag für sein Heil sterben, wenn nur ich für die Wahrheit leben darf.
Baruch Spinoza
Die christliche Kirche treibt nicht nur die Gläubigen in die Gräben und segnet die Maschinen, die zum Mord bestimmt sind – sie heilt auch die Wunden, die der Mord geschlagen hat, und ist allemal dabei.
Kurt Tucholsky
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Gruß Hubert