Ich möchte hier einige Gedanken des Sozialpsychologen und Philosophen Erich Fromm vorstellen. Er erklärt auch, wie es dazu kommt dass das Kind gezwungen bzw. manipuliert wird seine eigenen, aus sich selbst kommenden Wünsche und den eigenen Willen aufzugeben und stattdessen sich fremdbestimmen zu lassen. Es nimmt fremde Wünsche und Gefühle an. Hier wird schon der Samen gelegt, dass Menschen meist nicht frei und glücklich leben können. Von kirchlicher Seite kommt da noch, neben vielen anderen Dingen, die Unterdrückung der Sexualität, die von entscheidender Bedeutung für die Psyche und die Freiheit des Menschen ist. Diese Unterdrückung der Sexualität kommt nicht von ungefähr und ist wohldurchdacht. Die Selbstbestimmung und das eigene Denken ist der größte Feind der Kirchen. Ihre Macht beruht auf Fremdbestimmung bzw. ob sich ein Individuum fremdbestimmen lässt.

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Aus: Erich Fromm – Haben oder Sein
Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft

Eingeschränkt wird die freie, spontane Willensäußerung des Säuglings, des Kindes, des Jugendlichen und schließlich des Erwachsenen, sein Verlangen nach Wissen und Wahrheit, sein Wunsch nach Zuneigung.
Der im Wachstum begriffene Mensch wird gezwungen, die meisten seiner autonomen, echten Wünsche und Interessen und seinen eigenen Willen aufzugeben und einen Willen, Wünsche und Gefühle anzunehmen, die nicht aus ihm selbst kommen, sondern ihm durch die gesellschaftlichen Denk- und Gefühlsmuster aufgenötigt werden.
Die Gesellschaft und die Familie als deren psychosoziale »Agentur« haben ein schwieriges Problem zu lösen: Wie breche ich den Willen eines Menschen, ohne daß dieser es merkt? Durch einen komplizierten Prozeß der Indoktrination, durch ein System von Belohnungen, Strafen und entsprechender Ideologie wird diese Aufgabe jedoch so gut gelöst, daß die meisten Menschen glauben, ihrem eigenen Willen zu folgen, ohne sich bewußt zu sein, daß dieser konditioniert und manipuliert wurde.
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Die größte Schwierigkeit bei dieser Unterdrückung des Willens besteht hinsichtlich der Sexualität, da wir es hier mit einem starken natürlichen Streben zu tun haben, das weniger leicht zu manipulieren ist als viele andere Wünsche. Aus diesem Grund wurde die Sexualität heftiger bekämpft als fast jedes andere menschliche Verlangen. Es erübrigt sich, die verschiedenen Formen von Diffamierung der Geschlechtlichkeit aufzuzählen, von moralischer Verteufelung (Sexualität ist an sich böse) bis zu gesundheitlichen Argumenten (Masturbation ist schädlich).

Die Kirche verbietet die Geburtenkontrolle im Grunde nicht deshalb, weil sie um die Heiligkeit des Lebens besorgt ist (eine Besorgnis, die zur Ablehnung der Todesstrafe und einer Verdammung des Krieges führen würde), sondern um die Sexualität zu verunglimpfen, sofern sie nicht der Fortpflanzung dient.

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aus: Erich Fromm – Gesellschaft und Seele
Beiträge zur Sozialpsychologie und zur psychoanalytischen Praxis
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Es kam uns nur darauf an, das Prinzipielle zu zeigen, nämlich, daß das, was das Kind in der Familie erlebt, der Reflex der gesellschaftlichen Lebenspraxis ist, und daß die Familie nicht die Ursache der Charakterbildung, sondern der Mechanismus der Transmission der gesellschaftlich gegebenen Züge auf das Individuum darstellt. Noch anders ausgedrückt, die Familie ist die psychologische Agentur der Gesellschaft. Das Studium der Famiienstruktur ist unerläßlich für das Verständnis der für eine Gesellschaft typischen Persönlichkeitsstruktur; denn nur die Kenntnis der Einzelheiten des Familienlebens und der Erziehungsweise gibt eine Einsicht darüber, wie sich die gesellschaftlichen Erfordernisse, soweit sie die Persönlichkeit betreffen, ins Individuell-Psychische umsetzen. Es ist jedoch verfehlt, bei der Analyse einer Gesellschaft bei der Darstellung ihres Erziehungsprozesses als letztem Datum stehenzubleiben. Der Erziehungsprozeß selbst wieder muß auf seine gesellschaftlichen Bedingungen analysiert werden.

aus: Erich Fromm – Humanistisches Credo

Ich glaube, Erziehung bedeutet, daß man die Jugend mit dem Besten bekanntmacht, was ihr die Menschheit hinterlassen hat. Wenn dieses Erbe auch großenteils in Worten überliefert ist, so kann es doch nur wirksam werden, wenn diese Worte in der Person des Lehrers und in der Praxis und Struktur der Gesellschaft Wirklichkeit werden. Nur die Idee, die »Fleisch wird«, kann einen Einfluß auf den Menschen ausüben; die Idee, die ein Wort bleibt, kann nur Worte ändern.
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Ich glaube an die Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen. Darunter verstehe ich, daß der Mensch sein Ziel erreichen kann, es aber nicht erreichen muß.
Wenn jemand nicht das Leben wählen will und deshalb nicht weiterwächst, wird er unausweichlich destruktiv, ein lebender Leichnam. Das Böse und der Verlust des Selbst sind ebenso wirklich wie das Gute und die Lebendigkeit.
Sie sind die sekundären Möglichkeiten des Menschen, wenn er sich nicht für seine primären Möglichkeiten entscheidet.
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Ich glaube, daß der Mensch nur ausnahmsweise als Heiliger oder als Verbrecher geboren wird. Die meisten von uns besitzen sowohl Dispositionen zum Guten wie zum Bösen, wenn auch ihr jeweiliges Gewicht von Mensch zu Mensch verschieden ist. Daher wird unser Schicksal weitgehend von jenen Einflüssen bestimmt, die die vorhandenen Dispositionen formen und gestalten. Den wichtigsten Einfluß übt die Familie aus. Aber die Familie ist selbst nur »die Agentur der Gesellschaft«, der Transmissionsriemen für die Werte und Normen, welche eine Gesellschaft ihren Mitgliedern einprägen will.
Aus diesem Grund sind Struktur und Werte der Gesellschaft, in die ein Mensch hineingeboren wird, die wichtigsten Faktoren für seine Entwicklung.

aus: Burkhard Bierhoff – Zum Zusammenhang von Arbeit, Charakter und Erziehung

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http://www.pagan-forum.de/Thema-Schlechte-Laune?page=2
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Erich Fromm: Krank sind die Angepaßten!
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Gruß Hubert