Archiv für 7. Mai 2023

Denn sie wissen nicht, was sie glauben (Teil 18)   Leave a comment

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Rebloggt von Tierfreund und Religionskritiker Wolfgang – wolodja51.wordpress.com

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Wie psychologisch wahrscheinlich und stimmig bei einem (göttlich inspirierten!) Menschen, der zu solchen Haßgefühlen fähig ist, die noch nicht einmal vor den verwaisten Kindern seines Feindes haltmachen, oder wie heuchlerisch-verlogen die in kaum überbietbarer Selbstgerechtigkeit (bei exzessivsten Vernichtungswünschen!) vorgestellte Selbstbeschreibung sein dürfte («Sie befeinden mich, während ich für sie bete, sie vergelten mir Gutes mit Bösem, mit Haß meine Liebe») , dies mag der Leser selbst entscheiden.

In unmittelbarer Nachbarschaft zu dem berühmten, von den Kirchen immer auf Christus bezogenen Vers 110,4 «Du bist Priester auf ewig» folgt wieder die Beschreibung des hart strafenden Gottes:

«Er hält Gericht unter den Völkern, er häuft die Toten, die Häupter zerschmettert er weithin auf Erden » (Ps. 110; 6).

Nicht genug, der Psalmist selbst gibt Gott entsprechende Ratschläge, nicht ohne wieder in egozentrisch-selbstgerechter Weise sich selbst einseitig als Unschuldslamm anzupreisen:

«Was soll er dir tun, was alles dir antun, du falsche Zunge? Scharfe Pfeile von Kriegerhand und glühende Ginsterkohle dazu» (Ps. 120; 3,4), «Ich verhalte mich friedlich; doch ich brauche nur zu reden, dann suchen sie Hader und Streit» (Ps. 120; 7). «Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten! … Sie reden über dich voll Tücke und mißbrauchen deinen Namen. Soll ich die nicht hassen, Herr, die dich hassen, die nicht verabscheuen, die sich gegen dich erheben? Ich hasse sie mit glühendem Haß . . .» (Ps. 139; 19-22).

«Rette mich Herr, vor bösen Menschen . . ., denn sie sinnen in ihrem Herzen auf Böses, jeden Tag schüren sie Streit. Wie die Schlangen haben sie scharfe Zungen und hinter den Lippen Gift wie die Nattern … Er lasse glühende Kohlen auf sie regnen, er stürze sie hinab in den Abgrund, so daß sie nicht wieder aufstehen . . . » (Ps. 140; 2-4, 11).

Dieses Beten um Vernichtung der Feinde hält sich bis zu den letzten Psalmen durch:

«Vertilge in deiner Huld meine Feinde, laß all‘ meine Gegner untergehen!» (Ps. 143; 12), ebenso wie die Zeichnung eines Gottes, der diese frommen Gebete nicht unerhört läßt: «Doch alle Frevler vernichtet er» (Ps. 145; 20).

So ist es nur stimmig, wenn der gesamte Psalter vor dem großen Halleluja, dem Lob Gottes «für seine großen Taten» (Ps. 150), im Psalm 149, der häufig, aber auch wieder selektiv, im ersten Vers «Singet dem Herrn ein neues Lied» (besonders bei kirchenmusikalischen Anlässen sehr beliebt) zitiert wird, mit einem wieder sehr gewalttätigen Bild schließt. Was hat denn dieses «neue Lied» zum Inhalt?

«In festlichem Glanz sollen die Frommen frohlocken, auf ihren Lagern jauchzen: Loblieder auf Gott in ihrem Mund, ein zweischneidiges Schwert in der Hand, um die Vergeltung zu vollziehen an den Völkern, an den Nationen das Strafgericht, um ihre Könige mit Fesseln zu binden, ihre Fürsten mit eisernen Ketten, um Gericht über sie zu halten, so wie geschrieben steht. Herrlich ist das für all seine Frommen. Halleluja!» (Ps. 149; 5-9).

Man mag den Psalter aufgrund seines hohen Alters oder seiner ästhetischen Qualitäten so wie Homers Odyssee, die Edda oder das Nibelungenlied einschätzen wie man will; aber der Psalter, ein von Gott inspirierter Text, ein «Gebetbuch von hohem Rang . . . auch für Christus und die junge Kirche», verwendet von der heutigen Kirche «in der Nachfolge des Herrn . . . vor allen anderen Gebetstexten für den Gottesdienst» ?

Liest man die Psalmen unbefangen und läßt die in ihnen in weiten Teilen zum Ausdruck kommende Gesinnung unkontrolliert primitiven, rachsüchtigen Hasses und egozentrischer Selbstgerechtigkeit unverstellt von theologischem Um- und Wegdeutungsversuchen auf sich wirken, macht man sich dann die allgemeine Akzeptanz, ja fast «weihevolle» Verehrung gerade dieses Teiles der Bibel bewußt, so wird auch gerade hier wieder besonders erschütternd deutlich, welche unglaublichen Wirkungen, welche Verformungen und Verbiegungen (früh)kindliche Indoktrination, verstärkt durch psychologisch geschickt induzierte Ängste, auf menschliches Denken ausüben kann, wieweit Inhalte und Texte, die in anderem Kontext entrüstet zurückgewiesen würden, nicht nur akzeptiert werden, sondern darüber hinaus als «Gotteswort» oder zumindest als erstrangige Weltliteratur (es gibt auch säkularisierte indoktrinierte Erziehungsinhalte!) größter Verehrung teilhaftig werden.

Was muß darüber hinaus in einem Menschen vorgehen, wie muß ein Mensch geformt werden, der mit der oben angeführten Aufforderung Ernst macht und den Psalter als Gebetbuch verwendet? Wird hier nicht spätestens der verräterische Ausdruck – häufig nur oberflächlich von unechter «Nächstenliebe» verdeckt – von Feindseligkeit und Strafbedürfnis so vieler biblischer Fundamentalisten- und «Orthodoxer» verständlich?

Sollte nicht allmählich auch dem letzten klarwerden, daß die wirklich gewichtigen Einwände gegen die Bibel nicht so sehr naturwissenschaftlicher, sondern ethisch-moralischer und anthropologischer Art sind? Daß Gott die Welt nicht in sieben Tagen erschaffen hat, oder ob die Sonne stillstand oder nicht, stellen kaum die heutigen Probleme mit der Bibel dar – hier wird häufig noch gegen Ersatzargumente, «Pappkameraden», gekämpft -, sondern daß das ethisch-moralische Niveau des biblischen Gottes, der ja die Verkörperung des höchsten Gutes sein sollte, in vielen seiner Aussagen sich als so archaisch-inhuman erweist, daß es jedem heute lebenden Menschen nicht schwerfallen dürfte, eine Menge ihm bekannter Menschen zu benennen, deren,bei allen klar gesehenen Schwächen und Mängeln, ethisch-moralisches Niveau das des biblischen Gottes bei weitem übersteigen dürfte: das ist doch der wesentliche Einwand,der sich ja bekanntlich nicht nur aus der Bibel speist, die hier die partiell grausame, inhumane Realität zu einem großen Teil richtig spiegelt, wenn auch inhuman-archaisch interpretiert (Leiden und Übel als Strafen Gottes usw.), sondern genauso aus dem Faktum der unendlichen realen Leiden der Kreatur angesichts der Behauptung, es existiere ein zugleich allmächtiger, allwissender und die unendliche Liebe selbst verkörpernder, gütiger Gott: Das alte Problem der Theodizee, von den Kirchen oder sonstigen theistischen Apologeten bis heute eher verdrängt als gelöst.

Denn nach wie vor besteht der alte Einwand in seiner ganzen Härte und ist nicht zurückgewiesen: Entweder ist Gott nicht allmächtig oder nicht die unendliche Liebe und Güte; denn wer möchte im Ernst ein Wesen als ethisch höchste Instanz akzeptieren, das all das Leiden, das in der Vergangenheit und heute noch in der menschlichen (wie auch außermenschlichen) Kreatur in so unvorstellbar großem Maße geschieht, verhindern könnte und nicht verhindert oder gar selbst hervorruft («Ohne dessen Wille nichts geschieht»)?

Eine die biblische Weltsicht so weitgehend verdüsternde Vorstellung, das Leiden der Kreatur als Strafe für Sünden zu interpretieren, vor allem auch nach einer so unendlich wertvollen Sühne, wie sie der Tod Christi nach Meinung aller christlichen Konfessionen darstellt, impliziert ebenfalls ein so inhuman-zurückgebliebenes Gottesbild, daß man sich darüber jedes weitere Wort ersparen kann.

Fortsetzung folgt …….

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Denn sie wissen nicht, was sie glauben (Teil 18)