Archiv für 4. Januar 2014

Elektrokrampftherapie   Leave a comment

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Es ist mir vollkommen unverständlich wie man heute noch zur Elektrokrampftherapie (oder Elektroschocktherapie im Volksmund) greifen kann, wenn man um die schädigende Wirkung auf das Gehirn weiß. Außerdem weiß man bis heute nicht wie die EKT im Kopf wirkt. Im besten Fall hat die EKT höchstens für ein paar Monate eine positive Wirkung, wobei diese Wirkung zu einem unverantwortliche Preis erkauft wird. Viel scheint diese „Therapie“ auch mit einer Placebo-Wirkung tun zu haben, wie der Autor in einer Studie zum Schluß des Artikels erklärt.
Auch berücksichtigt eine EKT das soziale Umfeld eines psychisch Kranken nicht, aber das verwundert ja nicht, da Psychiater unbeirrbar an ausschließlich biologische Gründe für eine psychische Störung glauben. Sie beachten das Psychische kaum. Wie wenig Psychopharmaka hilfreich sind, weiß jeder, der psychisch Kranke kennt. Sicher sind nur die oft sehr schweren Nebenwirkungen – die manchmal die gewollte Hauptwirkung sind (zu sedieren, bis jemand ein Zombie ist und sein Willen vollkommen gebrochen ist). So sind diese Kranken dann leichter zu „führen“ weil sie fügsam sind.

Der Autor des Berichts in der Süddeutschen Zeitung ist nich allzu kompetent, scheint blauäugig an die Sache ranzugehen und glaubt den Beteuerungen von Psychiatern. Es ist klar, dass ein “Elektroschocker” seine Methode verteidigen wird.

Jetzt hier aber zum Hauptthema, zur EKT auf http://pflasterritzenflora.ppsk.de

Unter dem Titel “Hilfreicher Stromschlag ins Gehirn” berichtete die Süddeutsche Zeitung am 27. 08. 2012 (online) über die so genannte Elektrokrampftherapie (auch: Elektrokonvulsionstherapie oder, volkstümlich, Elektroschocktherapie), mit der beispielsweise “Depressive” oder “Schizophrene” behandelt werden.

Hier heißt es:

“Ein bisschen frustrierend ist das manchmal schon, weil wir mit etwas arbeiten, das wir nicht verstehen”, sagt Anästhesist Thomas Reiter, während er die Körperfunktionen seiner Patientin in der Aufwachphase überprüft. In der Tat ist über den eigentlichen Wirkmechanismus der EKT so gut wie nichts bekannt.”

Es gäbe, so schreibt die Zeitung, zwar einige Studien über Veränderungen im Gehirn der Geschockten, aber die Faktenlage sei insgesamt dünn. Dennoch, so wird schon im Titel der Eindruck erweckt, sei der Stromschlag hilfreich.

Daran habe ich keine Zweifel. Allein, wem hilft er?

Die so genannte Elektrokrampftherapie ist eine Standardmethode der Gehirnwäsche, die beispielsweise von Geheimdiensten und militärischen Organisationen praktiziert wird. Die Spezialisten in diesen Einheiten kennen den Wirkmechanismus ebenfalls nicht. Sie sind deswegen aber keineswegs beunruhigt.

Wissen sie doch, dass die gewünschte Wirkung, die ihnen bei der Meisterung ihrer verantwortungsvollen Aufgabe im Dienste des Staates hilft, zuverlässig eintritt, wenn man die Methode nur skrupellos genug und mit Fingerspitzengefühl anwendet.

Die Geschockten sind nach den hilfreichen Stromschlägen ins Gehirn hochgradig fügsam und suggestibel. Die Elektroschocks versetzen den elektrisch Malträtierten vorübergehend in einen infantilen Zustand. Sie rufen künstlich eine neurologische Störung hervor, die von den Neurologen als “hirnorganisches Psychosyndrom” bezeichnet wird.

Es ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Gedächtnisstörungen
  • zeitliche, räumliche und personenbezogene Verwirrung und Desorientiertheit
  • allgemeine Störung der intellektuellen Funktionen
  • Beeinträchtigungen der Urteils- und Kritikfähigkeit
  • Verflachung bzw. Unangemessenheit der emotionalen Reaktionen
  • Gefühl der Abgehobenheit von der Realität

In George Orwells utopischem Gesellschaftsentwurf “1984″ gibt es ein Ministerium für Wahrheit, das sich mit Geschichtsklitterung beschäftigt. Die Vergangenheit wird grundlegend im Sinne des “Großen Bruders” umgedichtet.

Die Herrschenden in George Orwells Roman hatten erkannt, dass Menschen Suggestionen keinen Widerstand mehr entgegensetzen können, wenn sie glauben, diese stünden im Einklang mit der historischen Erfahrung und ihrer persönlichen Vergangenheit. Sie haben dann keinen Vergleichsmaßstab mehr.

Wer sich dennoch gegen Suggestionen sträubt und Gedankenverbrechen begeht (also denkt, was er nicht denken soll), wird im Ministerium für Liebe umgedreht – unter anderem mit “Elektrokrampftherapie”.

Nach einer Elektrokrampftherapie ist der “Patient” dankbar für jeden Hinweis, der ihm aus seinem Zustand der Desorientiertheit und Verwirrung heraushilft. Ärzte und Angehörige werden ihm sagen, dass er dank eines hilfreichen Stromschlag ins Gehirn wieder hoffnungsfroh in die Zukunft blicken könne und dass die “Symptome” seiner “psychischen Krankheit” nach menschlichem Ermessen schon bald gemildert sein würden. Auch an den Nachwirkungen der Behandlung müsse er nicht lange leiden. Dann beginne ein neues Leben. Dies ist der ideale Nährboden für den Placebo-Effekt.

Niemand kennt die Ursachen einer “Schizophrenie” oder einer “Depression”. Trotz intensiver Forschung sind alle Versuche, die biologischen Ursachen dieser angeblichen Krankheiten zu identifizieren, grandios gescheitert. Dabei wurde auch ein erheblicher finanzieller Aufwand getrieben, mit Geldern, die aus staatlichen und pharmaindustriellen Quellen sprudelten. Leider blieb kaum noch Geld dafür übrig, um nach sozialen Ursachen zu suchen.

Und so bin auch ich auf Spekulationen angewiesen. Dadurch unterscheide ich mich nicht von der Psychiatrie.

Aus meiner Sicht handelt es sich bei allen “psychischen Krankheiten” (ausgenommen sind Störungen, die durch nachgewiesene neurologische Krankheiten hervorgerufen wurden) um Leistungen eines intakten Gehirns, das nach dem Motto “Garbage in, garbage out!” im wahrsten Sinn verrückt spielt.

Ein drastisches Beispiel dafür sind die “psychischen Störungen” von Frontkämpfern. Fast alle Soldaten rasten spätestens nach einigen Wochen in Stahlgewittern aus. Sie prägen Verhaltensmuster aus, klagen über Erlebnisweisen, die von den Wehrpsychiatern als “krank” gedeutet werden.

Diese “psychiatrischen Syndrome” zeigen sich nicht nur bei Soldaten, die schon immer psychisch auffällig, sondern auch bei Menschen, die zuvor an ihre zivile Umwelt aufs Allerbeste angepasst waren. Garbage in, garbage out.”

Der Wahnsinn des Krieges macht diese Menschen verrückt; genauer, er bringt sie dazu, verrückt zu spielen, um ihm zu entkommen.

Vor vielen, vielen Jahren erforschte ich als Angestellter eines sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts die Auswirkungen moderner Technik auf das menschliche Gemüt. Wie es sich gehört, hantierte ich mit Fragebögen und ließ den Großrechner heißlaufen. Damals gab es noch keine PCs, die Statistik konnten.

Aber ich interviewte auch Betroffene, ließ mich auf ihre Gedanken ein, versuchte, mich einzufühlen in ihre Situation. Eine Frau sagte mir: “Es ist wie im Krieg, ich muss mich anpassen, weglaufen kann man ja nicht, bei den Verhältnissen am Arbeitsmarkt ist das nicht klug für eine Frau in meinem Alter.” Sie sah grau aus, wirkte älter, als sie war. Ihre Miene war traurig, ihr Blick Hilfe suchend.

Für viele Menschen in unserer Gesellschaft ist es wie im Krieg. Zahllose Kräfte, derer sie sich nicht erwehren können, zerren an ihnen, oft in verschiedene Richtungen. Sie möchten weglaufen, können aber nicht. Sie möchten angreifen, fürchten sich aber vor den Konsequenzen. In solchen Situationen mag es als die beste aller wahrgenommenen Möglichkeiten erscheinen, die Rolle des “psychisch Kranken” zu übernehmen.

Durch Psychotherapien, durch Psycho-Drogen (“Medikamente”), durch Elektroschocks oder gar durch Psychochirurgie ändert sich nichts an der sozialen Realität dieser Menschen. Die sozialen und ökonomischen Schieflagen bleiben unverändert. Die Menschen werden dadurch häufig aber fügsam und offen für Suggestionen.

Wen wundert es da, dass die Rückfallquote nach Elektroschockbehandlung hoch ist?

“Almost half of the patients relapsed in 1 year after discontinuation of c/mECT, most of these within the first 3 months and all within the first 8 months”, berichtet das “Journal of ECT” (3).

Dies ist ja auch nicht anders zu erwarten, wenn man die Ursachen der Störungen nicht im Gehirn, sondern in den sozialen Verhältnissen verortet. Vor diesen kann man zwar eine Weile seine Augen verschließen, aber nicht für immer, es sei denn, man schlösse seine Augen für immer.

John Read und Richard Bentall wollten sich nicht mit unsystematischen Berichten über Erfolge und Misserfolge der Elektrokrampftherapie zufrieden geben. Sie recherchierten daher in den einschlägigen Datenbanken, um alle placebo-kontrollierten Studien zu den Behandlungserfolgen zu erfassen. (In diesen Untersuchungen wurden echte mit simulierten Schocks verglichen; die Patienten werden während der Behandlungen betäubt.)

Es folgt ein englischer Text. Wer will kann ja in der Quelle lesen.

Kurz:

  • über den Placebo-Effekt hinaus nur minimale echte positive Effekte während, keine nach der Behandlungsperiode
  • keine Studien, die auf Suizidprävention hinweisen
  • wegen der Gefahr permanenter Hirnschädigungen und eines gesteigerten Todesrisikos ist die Elektrokrampftherapie wissenschaftlich nicht gerechtfertigt.

Die unerwünschten Effekte sind also sehr real und physiologisch begründet, aber die erwünschten Wirkungen beruhen, sofern  sie überhaupt eintreten, weitgehend auf dem Placebo-Effekt.

Von all diesen Dinge weiß der Autor des Berichts in der Süddeutschen Zeitung offenbar nichts. Er erweckt den Eindruck, dass die Elektrokonvulsionstherapie für manche Patienten, die schlecht auf andere Maßnahmen ansprechen, das Mittel der Wahl sei. Fakt ist, dass diese “Therapie” allenfalls einen Placeboeffekt besitzt und dass auch dieser Effekt sehr schnell abklingt.

“In unserer Gesellschaft sind diejenigen, die am besten wissen, was passiert, auch am weitesten davon entfernt, die Welt so zu sehen, wie sie tatsächlich ist. Allgemein gesagt, je größer die Einsicht, desto größer die Selbsttäuschung: je intelligenter, desto weniger vernünftig.” (George Orwell, 1984, Seite 25)

http://pflasterritzenflora.ppsk.de/elektrokrampftherapie/

Gruß Hubert

Sozialer Arbeitsmarkt als neuer Sektor für Lohndumping?   Leave a comment

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Von regierungspolitischer Seite, aber auch von den Grünen, wird allgemein behauptet, dass Arbeitslosigkeit und das jahrelange Verbleiben im Hartz-IV-System mit mangelnder Qualifikation, persönlichen Problemen (zum Beisp. psychischer Natur) lägen, sie seien nicht genügend motiviert, nicht leistungsbereit usw. Dem ist nicht so.

Das System ist so organisiert, dass es nicht genug Arbeitsplätze gibt, so dass auch eine gute Qualifikation noch keinen sicheren Arbeitsplatz bedeutet. Zentrale Ursache der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Versagen des Marktes.

Hier ein Artikel von annotazioni.de

Zur Zeit wird wieder verstärkt über einen sozialen Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose diskutiert. Der Hochschullehrer Stefan Sell hat in diesem Zusammenhang ein Konzept vorgelegt, das auf große Resonanz beim Paritätischen Wohlfahrtsverband, aber auch Teilen von SPD und Grünen stößt. Doch dieses Modell ist aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive äußerst kritisch zu sehen.

Das Sell-Konzept sieht vor, dass bis zu 400.000 Langzeitarbeitslose von Unternehmen  auf dem ersten Arbeitsmarkt beschäftigt werden sollen. Der Lohn der Betroffenen wird vom Steuerzahler gezahlt, zum großen Teil finanziert durch eine Umwandlung der bisherigen Hartz IV Leistungen des Personenkreises in einen Lohnzuschuss („Aktiv-Passiv-Tausch“).

Bisher vorhandene Beschränkungen öffentlich geförderter Beschäftigung – die bislang geförderten Arbeitsverhältnisse sollen zusätzlich sein und im öffentlichen Interesse liegen – sollen entfallen,  da sie sich als wenig praxistauglich erwiesen hätten. Helga Spindler hat auf den Nachdenkseiten bereits auf eine Vielzahl von Problemen und Gefahren, die mit diesen Vorschlägen verbunden sind, hingewiesen.

Bisher kaum erörtert werden allerdings die ausgesprochen negativen gesamtwirtschaftlichen Folgewirkungen des Konzeptes.

Entscheidend ist die Antwort auf folgende Fragen: Warum sind so viele Menschen jahrelang im Hartz-IV-System ohne Chance auf einen regulären Job? Liegt es an mangelnder Qualifikation und persönlichen Problemen der Betroffenen, wie häufig behauptet wird?

Die Antwort ist: Es liegt nicht an den einzelnen Personen, sondern an einem massiven Mangel an Erwerbsarbeit. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen von knapp drei Millionen Betroffenen zeigen nur die halbe Wahrheit. Rund 1,3 Mio. Personen tauchen hier nicht auf, weil sie sich in Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit befinden oder sich aufgrund anhaltender Erfolglosigkeit bei der Arbeitssuche nicht (mehr) arbeitslos melden. Genauso schwerwiegend, aber wenig diskutiert: Inzwischen ist jeder dritte abhängig Beschäftigte in Teilzeit erwerbstätig, insgesamt 12,6 Mio. Personen. Nach belastbaren Umfragen würde gut die Hälfte von ihnen ihre Arbeitszeit gerne ausweiten.

Rechnet man alle Wünsche nach mehr Arbeit – der registrierten Arbeitslosen, der Unterbeschäftigten und der so genannten stillen Reserve – zusammen, so fehlen in Deutschland zwischen 5,5 und 6 Millionen Vollzeitarbeitsplätze.

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit ist damit doppelt so hoch wie die offiziell ausgewiesene.

Es ist schlicht unmöglich, auch nur annähernd jede und jeden zu beschäftigen.

Von dieser Tatsache wird versucht abzulenken, indem die Verantwortung für die Arbeitslosigkeit individualisiert wird: Die Betroffenen sind angeblich nicht qualifiziert, motiviert oder leistungsfähig genug. Das ist schlicht Unsinn. Auch wenn die gesamte Erwerbsbevölkerung in Deutschland 30 Jahre alt und  topfit wäre sowie ein Studium abgeschlossen hätte – für 5,5 bis 6 Mio. gäbe es keine Arbeit.

Am Arbeitsmarkt findet folglich ein Verdrängungsprozess statt – besser Qualifizierte nehmen auch Jobs weit unterhalb ihrer Qualifikation an. Inzwischen ist jeder fünfte Arbeitnehmer für seinen Job überqualifiziert.

Höhere Bildungsabschlüsse verbessern somit nur die individuellen Erfolgsaussichten am Arbeitsmarkt, sie sind aber kein geeignetes Mittel, um die Unterbeschäftigung in Deutschland insgesamt zu vermindern.

Die Unternehmen profitieren von dieser Lage: Beschäftige und Arbeitslose machen sich gegenseitig Konkurrenz, sodass viele Menschen gezwungenermaßen bereit sind, zu Niedriglöhnen und unter prekären Bedingungen zu arbeiten. Immer mehr Beschäftigte müssen ergänzend Hartz IV beziehen, weil ihre Löhne zum Leben nicht reichen.

Umgekehrt gilt: In Vollbeschäftigungsperioden – in Deutschland zuletzt von 1960 bis 1973 – findet praktisch jeder Arbeit zu guten Bedingungen. Die Unternehmen stellen bereitwillig Ältere, gering Qualifizierte und gesundheitlich Beeinträchtigte ein, weil sie sonst niemanden bekommen können. Dann zeigt sich deutlich: Vermittlungshemmnisse liegen in der Regel nicht in den Personen, sondern im Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf  dem Arbeitsmarkt begründet.

Zentrale Ursache der Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Versagen des Marktes und nicht der betroffenen Menschen.

Hier weiterlesen:
http://www.annotazioni.de/post/1261

Gruß Hubert