Archiv für 13. April 2017

Warum genügen 25.000 Tote von Dresden nicht?   Leave a comment

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Regelmäßig wollen Nazis am 13. Februar die Opfer des Feuersturms gegen die Einmaligkeit der Naziverbrechen aufrechnen. 25.000 Opfer genügen ihnen nicht. Die werden auch gerne bis zu 500.000 hochgerechnet.
Als ob die Zahl von 25.000 Toten binnen weniger Stunden nicht entsetzlich genug wäre.

Wobei Nazis, die ja auch oft Holocaustleugner sind, die Opfer von 6 Millionen Juden (inklusive auch anderer, Sinti und Roma, Homosexuelle, „Asoziale“, wo auch Alkoholiker dazugerechnet wurden… Euthanasieopfer noch extra, usw.) herunter bis auf 300.000 dividieren. Jeder Kommentar erübrigt sich da. Dialog wird da unmöglich und unsinnig.

Der damalige Oberbürgermeister Ingolf Roßberg berief eine hochkarätige Historikerkommission um den wilden Spekulationen Fakten entgegenzusetzen. Ihre Aufgabe war es, die Zahl der Opfer nach allen möglichen Kriterien zu ermitteln.

Experten um den Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller untersuchten die erhaltenen schriftlichen Quellen.

Aus Welt.de

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14. Februar 1945: Dresden brannte noch, als Hilfskommandos die Toten bargen und zu den Sammelplätzen brachten
14. Februar 1945: Dresden brannte noch, als Hilfskommandos die Toten bargen und zu den Sammelplätzen brachten

Quelle: picture-alliance / akg-images

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Mit hässlicher Regelmäßigkeit wird jedes Jahr vor dem 13. Februar um die Zahl der Opfer des Feuersturms in Dresden gestritten. Dabei besteht doch schon längst düstere Klarheit darüber.

Das Muster ist stets ähnlich: Sobald ein mehr oder weniger runder Jahrestag des 13. Februar 1945 näher rückt, melden sich, früher in Leserbriefen und an Stammtischen, heute im Internet „Skeptiker“ zu Wort. Die offiziell angegebene Zahl von bis zu 25.000 Opfern des fürchterlichen Dreifachluftangriffs „könne“ nicht stimmen, sei viel zu niedrig.

So auch jetzt, nachdem der Berliner Künstler Yadegar Asisi ein beeindruckendes Panorama „Dresden 1945 – Tragödie und Hoffnung einer europäischen Stadt“ der Öffentlichkeit vorstellte. Er hatte sich dabei die Ergebnisse der zur Ermittlung der Opferzahl berufenen Historikerkommission zu eigen gemacht.

Bei vielen Redaktionen, die über Asisis Werk berichtet hatten, trafen daraufhin Mails ein, außerdem zahlreiche Kommentare unter Online-Artikeln, die alle in etwa dasselbe behaupteten: Diese Zahl sei viel zu niedrig, man könne sie getrost verfünffachen oder „gleich eine Null anhängen“.

Das Kalkül ist durchsichtig: So soll Skepsis an den Ergebnissen der Kommission gestreut werden, vor allem bei Journalisten, die sich mit der Materie nicht auskennen. Dafür verfassen fachlich durch nichts ausgewiesene Aktivisten sogar seitenlange Pamphlete, in denen wüste Behauptungen aufgestellt werden.

Zwar stellt man, forscht man den Namen dieser Personen nach, schnell fest, dass sie fast immer vom äußersten rechten Rand stammen. Oft haben sie sich zuletzt etwa zu Pegida zustimmend geäußert oder typisch rechtsextreme Geschichtsklitterungen verbreitet.

Doch solche kruden Ansichten sind nicht automatisch Argumente gegen ihre Zweifel an den Ergebnissen der Historikerkommission. Zumal sie vermeintlich gut belegt daherkommen, oft mit Fußnoten versehen und mit zahlreichen Zeitzeugenschilderungen ergänzt.

Ohne Zweifel war der Untergang des alten Dresden am 13. und 14. Februar 1945 ein Schock. In knapp 15 Stunden, vom Abwurf der ersten britischen Markierungsbomben um 22.03 Uhr bis zum Abflug der letzten US-Tagbomber gegen 12.38 Uhr, ging eine bis dahin fast unbeschädigte Großstadt im Feuersturm zugrunde. Die Wucht der Zerstörung prägte alle, die den Angriff überlebten.

Zwar war die Attacke nicht die schwerste auf eine deutsche Stadt im Zweiten Weltkrieg. Hamburg, Berlin, Essen, Duisburg und Dortmund traf es schlimmer, wenn man die Zahl der angreifenden Bomber oder die Menge der abgeworfenen Spreng- und Brandladungen in Rechnung zieht. Gemessen am Anteil der zerstörten Gebäude war das Schicksal von Düren, Paderborn und Köln weitaus härter als das von Dresden.

Dennoch ist kein anderer Bombenangriff so symbolisch geworden wie der vom 13. und 14. Februar 1945. Das liegt vor allem an den Spekulationen über die Zahl der Opfer. Bereits unmittelbar nach dem Ende der Angriffe nannten schwedische Zeitungen nach dem Hörensagen 100.000 bis 200.000 Tote.

Das steigerte sich im Laufe der Jahre, bis schließlich im Frühjahr 2000 der mehrfach vorbestrafte Rechtsterrorist Manfred Röder unter dem Beifall älterer Dresdner im Stadtmuseum behauptete, der Angriff habe 480.000 Menschenleben gefordert. VomDresdner Bombenholocaustsprachen mehrfach Mitglieder der sächsischen NPD.

Um solchen wilden Spekulationen Fakten entgegenzusetzen, berief der damalige Oberbürgermeister Ingolf Roßberg eine hochkarätige Historikerkommission. Ihre Aufgabe war es, die Zahl der Opfer nach allen möglichen Kriterien zu ermitteln.

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Der Historiker Rolf-Dieter Müller leitete die Historikerkommission, die die Folgen des Bombardements analysierte
Der Historiker Rolf-Dieter Müller leitete die Historikerkommission, die die Folgen des Bombardements analysierte

Quelle: picture-alliance/ dpa

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Dazu untersuchten die Experten um den Militärhistoriker Rolf-Dieter Müller zunächst die erhaltenen schriftlichen Quellen. Die nationalsozialistischen Behörden meldeten während der Aufräumungsarbeiten mehrfach nacheinander die aktuelle Zahl der geborgenen Toten.

Am 10. März 1945 kamen sie auf 18.375 Opfer, am 20. März auf 20.204 und am 31. März schließlich auf 22.096. In den folgenden Jahrzehnten wurden noch etwa 2000 weitere Leichen in verschütteten Kellern entdeckt – das entsprach recht genau der Schätzung vom 15. März 1945, die von insgesamt 25.000 Toten ausging.

Dazu passte die Zahl von 19.000 identifizierten Opfern, die bis April 1945 vor allem auf zwei Dresdner Friedhöfen beigesetzt wurden. Einschließlich der Asche von 6865 Menschen, deren Leichen auf dem Altenmarkt verbrannt worden waren, um die Seuchengefahr zu bannen.

Ein zweiter wesentlicher Ansatz war die Beurkundung von Sterbefällen. In einem hochbürokratisierten Land wie Deutschland verschwand niemand spurlos, auch nicht im Zweiten Weltkrieg. Irgendwann mussten Verwandte, schon um Erbscheine zu bekommen oder Rentenansprüche zu begründen, bei Gericht eine Todeserklärung beantragen – und erzeugten damit einen Nachweis des Verbleibs der jeweiligen Person.

Auch bei weiter Auslegung der Kriterien konnten rund 8000 standesamtlich beurkundete Sterbefälle dem Luftangriff von Mitte 1945 zugeordnet werden, weitere 10.000 Personen wurden gerichtlich für tot erklärt, übrigens zum allergrößten Teil in Dresden selbst. Mit einer sicherheitshalber angenommenen zehnprozentigen Dunkelziffer konnte man von rund 20.000 Toten ausgehen.

Entscheidend für fast alle Skeptiker war stets die Behauptung, unzählige Opfer seien während des Feuersturms, der Dresden auffraß, „spurlos“ verbrannt. Doch war das überhaupt möglich?

Wie in einem Krematorium

In modernen Krematorien werden Leichname bei etwa 850 Grad und kontinuierlicher Energiezufuhr in Form von Erdgas binnen einer Stunde eingeäschert. Rückstandslos verbrennen sie aber nicht, die großen Knochen bleiben fast immer erhalten und werden vor der Beisetzung kleingemahlen. Für eine wirklich rückstandslose Verbrennung sind Temperaturen von mehr als 2000 Grad notwendig.

Während des Feuersturms am frühen Morgen des 14. Februar 1945 wurden in Dresden zwar zeitweise Temperaturen im Freien von bis zu 900 Grad erreicht. In geschlossenen Räumen fanden sich sogar Indizien für bis zu 1200 Grad.

Für noch höhere Werte gibt es aber keine Belege; sie sind auch unwahrscheinlich, da sie bei Bränden von Holz und Fachwerk nicht zu erreichen sind. Eine massenhafte „rückstandslose“ Verbrennung menschlicher Körper kann ausgeschlossen werden.

Das Gleiche gilt für die gelegentlich behauptete „heimliche“ Bestattung von Zehntausenden von Körpern. Die angeblichen Flächen erwiesen sich als Rodungen, die schon 1944 angelegt worden waren. Außerdem hat sich nie ein Zeuge gemeldet, der an diesen vermeintlichen Massenbeisetzungen mitgewirkt haben wollte. Außerdem: Welchen Grund hätte Goebbels gehabt, eine höhere Totenzahl zu verschweigen?

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Rund 2670 Tonnen Bomben warfen britische und amerikanische Flugzeuge über Dresden ab
Rund 2670 Tonnen Bomben warfen britische und amerikanische Flugzeuge über Dresden ab

Quelle: picture alliance / Everett Colle

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Eine letzte, in ihrem Zynismus allerdings schwer erträgliche Überlegung führte zum selben Ergebnis. Auf Dresden wurden am 13. und 14. Februar 1945 insgesamt 1480 Tonnen Spreng- und 1190 Tonnen Brandbomben abgeworfen, insgesamt rund 2670 Tonnen.

Bei Luftangriffen auf andere deutsche Städte, in denen Feuerstürme wüteten, kamen pro Tonne Bomben nachweislich zwischen 11,3 und 14,5 Menschen ums Leben. Diese Werte stehen für Hamburg 1943, Darmstadt 1944 und Pforzheim 1945 fest und werden nicht einmal von Rechtsextremisten in Zweifel gezogen.

Selbst wenn man den Maximalwert der klimatisch extremen Ereignisse in Hamburg zugrunde legt, als die Stadt nach wochenlanger Dürre trocken wie Zunder war, wäre theoretisch mit maximal 38.000 Toten in Dresden zu rechnen. Doch hier war es kalt, als der Luftangriff losbrach, und es lag Schnee. Die Häuser hatten sich nach einem feuchten Herbst und langen Winterwochen mit Feuchtigkeit vollgesogen.

Warum in Dresden angeblich fünf bis achtmal mehr Menschen pro Tonne Bomben getötet worden sein sollen, ist nicht nachvollziehbar. Dagegen ist es einleuchtend, von einer Zahl von etwa zehn Toten pro Tonne Bomben auszugehen.

Wie man es auch dreht und wendet: Die Ergebnisse der Historikerkommission um Rolf-Dieter Müller sind überzeugend. Die dagegen vorgebrachten „Argumente“ erweisen sich jedoch als Irrtümer, Fehlschlüsse oder extrem unwahrscheinliche Behauptungen.

Dennoch werden sie rund um den 70. Jahrestag der schrecklichen Fasnachtsnacht 1945 wieder geglaubt werden. Als ob die Zahl von 25.000 Toten binnen weniger Stunden nicht entsetzlich genug wäre.

Von Sven Felix Kellerhoff

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Warum genügen 25.000 Tote von Dresden nicht?

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Gruß Hubert