„Die Chemieindustrie lügt“   1 comment

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Ich glaube jedenfalls André Leu, einem Experten für nachhaltige Landwirtschaft, mehr als der Chemieindustrie oder Bauernvertretern, die beide wirtschaftliche Interessen haben und denen es um Maximalgewinn geht.

Hier ein Interview mit André Leu.

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Interview André Leu © André Leu/privat
André Leu plädiert für ökologische, also pestizidfreie Landwirtschaft. © André Leu/privat
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INTERVIEW: Zehn Jahre lang recherchierte André Leu über Pestizide. Er fand heraus: Zahlreiche wissenschaftliche Studien bringen den Einsatz der Ackergifte mit dem Anstieg von Krankheiten in Verbindung. Wir wollten wissen, was dran ist. Bernward Geier

Schon der Titel seines im Februar erschienenen Buchs spricht Bände: „Die Pestizidlüge – Wie die Industrie die Gesundheit unserer Kinder aufs Spiel setzt.“ Der Agrarexperte André Leu möchte darin die Mythen der Agrarindustrie um Glyphosat & Co. widerlegen. Er sagt, wenn es um Pestizide gehe, arbeiten Agrar-
industrie und Chemielobby seit Jahrzehnten mit geschönten Daten. Die Grenzwerte etwa, ab wann Pestizide verboten seien, richten sich stets nach gesunden Erwachsenen. Dass Kinder massiv gefährdet seien, werde verschwiegen. Wir reden mit ihm über sein Anliegen.

Herr Leu, was hat Sie motiviert, ein Buch über die Gefährlichkeit von Pestiziden zu schreiben?

Uns wird erzählt, die Menge an Pestizidrückständen in Lebensmitteln seien unbedenklich und sicher. Es gäbe deshalb keinen Grund, Bio-Lebensmittel nachzufragen. Ich wollte prüfen, ob das stimmt. Dank meines Universitätsabschlusses in Kommunikation verstehe ich wissenschaftliche Veröffentlichungen und kann sie in gut verständliche Alltagssprache übersetzen. So kann jeder in meinem Buch nachlesen, wie Pestizide unsere Gesundheit – und insbesondere die unserer Kinder – beeinträchtigen können.

Eine Kernaussage ist, dass die globalen Agrarchemie-Unternehmen  Fakten manipulieren, wenn nicht sogar fälschen. Wie meinen Sie das?

Durch den Einfluss der Lobbyisten auf die Gesetzgebung schützen Regierungen die Interessen der Industrie mehr, als die der Öffentlichkeit. Ein klassisches Beispiel von massivem Interessenskonflikt ist die sogenannte Drehtür: Dabei besetzen ehemalige Topmanager einflussreiche Positionen in der Politik und umgekehrt. So kontrollieren die Füchse das Hühnerhaus! Ex-Manager der Agrarchemieindustrie schreiben Gesetzestexte zu Pestiziden, die ihr früherer Arbeitgeber entwickelt hat. Und in den Fachausschüssen, die die Rückstandsmengen giftiger Chemikalien in unseren Lebensmitteln festlegen, sitzen Wissenschaftler, die Forschungsgelder der Pestizidindustrie erhalten.

Wie sollten die Höchstwerte von Pestizidrückständen in Lebensmitteln festgelegt werden?

Für die Gesetzgebung dürften nur Studien unabhängiger Wissenschaftler nach dem Goldstandard berücksichtigt werden, die in anerkannten Wissenschaftsmagazinen veröffentlicht wurden. In den Gremien würden unabhängige Experten entscheiden, die keine finanziellen oder anderen Interessenskonflikte mit der Pestizidindustrie hätten. Und alle Prozesse müssten transparent und der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Mittlerweile hat ja praktisch jeder Mensch Glyphosat im Körper …

… mit ernsten, teils tödlichen Folgen. Glyphosat durchdringt sogar die Plazenta und kann die embryonale Entwicklung direkt beeinflussen. Föten und Neugeborene verfügen nicht über Enzyme wie Erwachsene, um Gifte abzubauen. Die Umweltorganisation Environmental Working Group hat im Nabelschnurblut von Babys bis zu 232 Chemikalien nachgewiesen. Pestizide können massiv den Hormonhaushalt verändern. Das ist kritisch für die normale Entwicklung bis hin zur Pubertät. Kinder im Wachstum brauchen, um sich normal zu entwickeln, kleine Dosen spezieller Hormone zu bestimmten Zeiten. Selbst kleinste Pestizidmengen können diese Prozesse massiv stören.

Sie warnen vor „synergistischen und metabolischen Effekten“ bei Pestiziden. Was meinen Sie damit?

Die Kombinationen von Pestiziden und ihren Abbauprodukten können bis zu tausend Mal giftiger sein als ein einzelner chemischer Wirkstoff!

Sie fordern eine pestizidfreie Landwirtschaft. Ist das nicht eine Illusion?

Nein, das ist absolut realistisch. Die Pestizidindustrie behauptet, wir könnten ohne Pestizide nicht genug Lebensmittel für die Menschheit produzieren, und müssten deshalb Rückstände akzeptieren. Das stimmt nicht. Gute biologische Landbausysteme erbringen gleiche und in armen Ländern mit geringem Produktionsniveau sogar höhere Erträge. Ganz zu schweigen vom Nutzen für Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit: etwa die wachsende Biodiversität, eine Abmilderung der Klimakatastrophe etc.

Wie kann sich jeder selbst vor Pestizid-Rückständen schützen?

Die gute Nachricht ist: Pestizide lassen sich vermeiden, indem man sich konsequent mit biologischen Lebensmitteln ernährt. Die meisten Pestizidrückstände kommen nämlich via Lebensmittel in unseren Körper. Nahrungsmittel zu waschen und zu schälen, hilft so gut wie nichts, denn die meisten Pestizide befinden sich in den Lebensmitteln.

3000 Exemplare Ihres Buchs gehen kostenlos an Kinderärzte, Hebammen und Kinderkrankenschwestern … 

Dass 3000 Experten für Gesundheit und Ernährung im Kindesalter mein Buch lesen können, darüber bin ich sehr froh. Nicht zuletzt habe ich es geschrieben, um gerade diese Berufsgruppen zu erreichen und darüber aufzuklären, wie gefährlich selbst kleinste Mengen an Pestiziden in unseren Lebensmitteln sind. Ich hoffe, immer mehr Menschen wird das bewusst und immer mehr Eltern erkennen, dass es für ihre Kinder am besten ist, biologische Lebensmittel zu essen.   

Was ist Ihre wichtigste Erkenntnis?

Kindern konventionelle, pestizidbelastete Lebensmittel zum Essen zu geben, ist unverantwortlich. Die meisten Pestizidrückstände gelangen über diesen Weg in den Körper. Obst und Gemüse zu waschen und zu schälen, hilft so gut wie nichts. Die meisten dieser Gifte befinden sich in den Lebensmitteln drinnen. Kaufen Sie Bio-Lebensmittel und verzichten Sie auf Pestizide in Haus und Garten! So können wir den Verlust von Lebensräumen, das massive Artensterben und den Klimawandel bremsen und uns allen eine gesunde Zukunft bescheren. Echte, positive Veränderungen werden von der Bevölkerung in Gang gesetzt. Wir können zu dieser Veränderung beitragen. Das sind wir unseren Kindern und unserer Zukunft schuldig.

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Veröffentlicht 26. August 2018 von hubert wenzl in Umwelt, Uncategorized

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Eine Antwort zu “„Die Chemieindustrie lügt“

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  1. Und wer garantiert mir, dass BIO – BIO ist?
    Auch dabei wird betrogen . . . Und der Michel ist dumm genug, dafür auch noch mehr zu bezahlen – weil sich BIO gut anhört, obs auch drin ist sieht man ja nicht. Man merkt es erst wenn man es verzehrt hat, Doch dann beweise das mal, dass da kein BIO drin war.
    Und BIO (z. B. Eier aus Freilandhaltung ) müssen auch nicht gesünder sein. Das Gegenteil ist der Fall, weil die Tiere unkontrolliert alles fressen.

    ÖKO auch so ein schwammiger Begriff der nigends definiet ist. Wo fängt ÖKO an, wo hört ÖKO auf?

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