Archiv für 23. Januar 2017

Сергей Есенин – Жизнь Обман – Leben betrügen – Jessenin   Leave a comment

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Ist wohl sehr seltsam, wenn ein Mann wie Jessenin, der russische Dichter, mit 30 Jahren schon das Leben satt hatte. Das kann man sich ja kaum vorstellen. Aber Dichter sind eben keine Durchschnitts-Menschen.

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Jessenin und Majakowski: Fertig mit dem Leben

Sergej Jessenin und Wladimir Majakowski waren die Revolutionäre unter den Sowjetschriftstellern. Sie lebten wild und unangepasst. Jessenin, der sich selbst einen „Hooligan“ nannte, und Majakowski, der Frauenheld, setzten ihrem Leben selbst ein blutiges Ende. Betrauert werden wollten sie nicht, unvergessen sind sie geblieben.

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Sergej Jessenin: „Leben gab’s ja schon einmal“

Am 25. Dezember 1925 kam Sergej Jessenin im Sankt Petersburger Angleterre Hotel an. Hinter ihm lag eine durchzechte Nacht in der Schriftstellerbar. Völlig betrunken hatte er dort randaliert, andere Schriftsteller angegriffen, sie als „Emporkömmlinge“ und „mittelmäßig“ beleidigt. Er hatte mit Möbeln um sich geworfen und Gläser auf dem Fußboden zerschmettert, bis man ihn mit Gewalt hinausgeworfen hatte. Die kommenden Nächte sollten ihm Frieden bringen.

Sergej Jessenin war 30 Jahre alt. Und schon hatte er das Leben satt, die Frauen, die Schriftstellerei und seine Freunde. Jessenin war das Enfant terrible der Bolschewiken: Er verhielt sich ungehörig und rebellisch, war aber auch talentiert, wurde von der Öffentlichkeit geliebt und war der neuen Obrigkeit gegenüber loyal. In seinen letzten Lebensjahren provozierte Jessenin zunehmend. Sein Werk „Beichte eines Hooligans“ (1921) zeigte aber auch eine andere Seite seiner Persönlichkeit: beklommen und ordinär.

Er war so etwas wie ein Leinwandidol: blond gelocktes Haar, helle Augen – doch seine rauen Manieren passten nicht zu seiner Erscheinung. Frauen mochten Jessenin, und er verschloss sich ihnen nie. Er war drei Mal verheiratet, und alle drei Ehen scheiterten. Seine berühmteste Frau war die US-amerikanische Tänzerin Isadora Duncan. Sie war 45 Jahre alt, er 28. Nach ihrer Hochzeit brachen sie zu einer einjährigen Reise nach Europa und in die Vereinigten Staaten auf. Zur Freude der internationalen Presse gab es zahlreiche öffentlich ausgetragene Streitereien und heftige Ausbrüche von Jessenin, der stets betrunken war. Im Westen schien sich niemand für Jessenins Werk zu interessieren, und vom Foxtrott abgesehen, fand der Dichter dort auch nichts, was ihn interessierte. Die Rückkehr nach Russland besiegelte das Ende dieser stürmischen Partnerschaft.

Im Jahr 1925 heiratete Jessenin in Moskau eine von Tolstois Enkelinnen, Sophia, die ihn dazu zwang, sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Doch die Therapie erwies sich als wirkungslos. Es schien angesichts seiner Depression und seiner Alkoholabhängigkeit keine Hoffnung zu geben. Nachdem Jessenin das Krankenhaus verlassen hatte, hob er das gesamte Geld von seinem Bankkonto ab und begab sich auf eine Zechtour.

Schließlich landete er in Sankt Petersburg. Er kam, um zu sterben. Zwei Tage verbachte er noch im Wodkarausch. Am 27. Dezember schnitt er sich die Pulsadern auf und erhängte sich dann an den Heizungsrohren an der Zimmerdecke. Er hinterließ ein letztes Gedicht: „Freund, leb’ wohl… Sterben –, nun, ich weiß, das hat es schon gegeben; doch: auch Leben gab’s ja schon einmal.“ Er schrieb es mit seinem eigenen Blut.

Es gibt übrigens das Gerücht, dass sein Tod in Wahrheit gar kein Selbstmord gewesen sei. Tatsächlich soll ihn der sowjetische Geheimdienst umgebracht haben. In den Monaten vor Jessenins Tod war die Obrigkeit beunruhigt über die Ausschweifungen des immer betrunkenen Dichters. Die vielen Schlägereien, die er mit seinen Freunden anzettelte, brachten ihn immer häufiger vor Gericht. Die Bolschewiken fürchteten, dass Jessenin beginnen könnte, die neue Regierung anzuprangern und zu beschimpfen, und dachten daher angeblich darüber nach, ihn unter ständige Bewachung zu stellen. Diese Version der Todesumstände ist jedoch sehr umstritten.

Wladimir Majakowski: „Der Fall ist erledigt“

Wie so oft in der russischen Geschichte hatte der Tod des einen Dichters Auswirkungen auf das Leben eines anderen. Die Nachricht von Sergej Jessenins Tod traf Vladimir Majakowski zutiefst. Für ihn war Jessenins Selbstmord ein Verrat am Kommunismus.

Majakowski war der herausragende Dichter der Revolution, der sich mit Leib und Seele für die Sache der Bolschewiken einsetzte. Der Kritiker Viktor Schklowsky schrieb über ihn: „Majakowski trat in die Revolution ein, als würde er sein eigenes Haus betreten.“ Er brachte den Sozialismus in die Fabriken, seine Gedichte wurden regelmäßig in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, er schrieb Bühnenwerke und arbeitete auch als Schauspieler.

Obgleich Majakowski als Dichter erfolgreich und als Person des öffentlichen Lebens berühmt war, erlitt er in seinem Privatleben viele Enttäuschungen – die Frauen wurden sein Verhängnis.

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Einige Tage, bevor er sich erschoss, hinterließ er einen an seine Mutter, Schwestern und Freunde adressierten Brief, der mit der für ihn so typischen, fröhlichen Ironie geschrieben ist: „Gebt niemandem die Schuld, dass ich sterbe, und bitte kein Gerede. Der Verstorbene hat das ganz und gar nicht gemocht.“ Der Brief schloss mit den Worten: „Wie man so sagt, der Fall ist erledigt; das Boot meiner Liebe ist am Alltag zerschellt. Ich bin mit dem Leben fertig, und wir sollten von gegenseitigen Verletzungen, Kummer und Wut absehen. Viel Glück.“

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Einer weithin akzeptierten Interpretation von Majakowskis Tod zufolge drückte er auf den Abzug, nachdem es zur Trennung von der Schauspielerin Veronika Polonskaja gekommen war, mit der er eine kurze, doch äußerst stürmische Romanze gehabt hatte. Polonskaja war in den Dichter verliebt, aber nicht gewillt, ihren Ehemann zu verlassen. Wenige Augenblicke, nachdem sie Majakowskis Wohnung verlassen hatte, hörte Veronika einen Schuss. Sie lief zu dem Dichter zurück und sah, wie sich ein blutroter Fleck auf seinem weißen Hemd ausbreitete. Majakowski hatte sich in die Brust geschossen. Der Krankenwagen kam für jede Rettung zu spät.

Dennoch sind bis heute nicht alle Hintergründe seines Todes geklärt. Die gescheiterte Liebesbeziehung mag vielleicht nur der letzte Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, denn der Dichter hatte andere große Probleme: Seit Ende der Zwanzigerjahre war Majakowski von der Richtung enttäuscht, welche die sowjetische Politik einschlug. Er schrieb satirische Bühnenstücke, in denen er die sowjetischen Spießer und Bürokraten verspottete, doch die obrigkeitstreuen Kritiker zerrissen diese Werke. Majakowskis persönliche künstlerische Zurschaustellung wurde von den Schriftstellern und den literarischen Autoritäten gleichermaßen gering geschätzt. Wenige Tage vor seinem Tod hatte Majakowski bei seinem letzten Auftritt an der Moskauer Universität von den Studenten nur Beleidigungen und Buhrufe zu hören bekommen. Um all dem die Krone aufzusetzen, wurde Majakowski, der häufig nach Europa reiste, auch noch die Erlaubnis verweigert, das Land zu verlassen.

Er sollte zum Schweigen gebracht werden. Doch er hinterließ seine Stimme in seinen Werken: Die Kraft seiner Kehle werde „euch über die Gipfel der Jahrhunderte und über die Köpfe der Regierenden und Dichter hinweg erreichen“. In der Tat zählte Majakowski auch nach seinem Tod noch zu den Dichtern, die von den Sowjets am meisten verehrt wurden – Straßen, Metrostationen, Schiffe und sogar Planeten wurden nach ihm benannt, und einer der größten Plätze in Moskau trägt ebenfalls seinen Namen.

http://de.rbth.com/lifestyle/2014/07/18/jessenin_und_majakowski_fertig_mit_dem_leben_30377

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Noch ein Auszug zu Jessenin.

Hat Esenin ein Land gesucht, das nur seine eigene Utopie war? Die Vision eines anderen Landes, das heimatlich und ekstatisch zugleich ist? Esenin kann sie nur kurze Zeit aufrechterhalten. Die Revolution, die er begrüßt, muß ihn enttäuschen. Sie stillt das existenzielle Heimweh nicht. Etwas in ihm zerbricht. „Der rauhe Oktober hat mich betrogen“, dichtete er. Und:

Offen und gerade heraus gesagt, ist unsere Republik nur ein Bluff… Eine Herde! Eine Herde! Seht ihr denn nicht, und begreift ihr nicht, daß eine solche Gleichheit nichts nützt, eure Gleichheit voller Lüge und Betrug.

Esenins letzte Jahre sind eine einzige Flucht vor der Sowjetwirklichkeit, deren Mangel, deren pragmatische Kühle er nicht ertragen kann. Kurze Zeit ist er mit der gefeierten Tänzerin Isadora Duncan verheiratet. Die kultivierte Weltbürgerin und der russische Bauernsohn können sich kaum verständigen; Esenin produziert öffentliche Skandale und behandelt die gefeierte Diva wie ein Bauerntrampel. In seiner verzweifelten Heimatlosigkeit weiß er sich selbst nicht zu retten, aber er dichtet genialische Verse:

Mit einem Fuß blieb ich im Alten stecken

Und jagte doch den Stahlkohorten nach –
Und haltlos blieb ich liegen auf der Strecke

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http://www.planetlyrik.de/ursula-krechel-zu-sergej-jessenins-gedicht-meiner-heimat-leb-ich-nicht-mehr-gern/2014/09/

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Gruß Hubert

Veröffentlicht 23. Januar 2017 von hubert wenzl in Literatur, Lyrik, Uncategorized

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